Fünf Stunden Verspätung ohne Entschädigung

Berlin · Die EU will die Rechte von Flugreisenden beschneiden. Sie sollen künftig nicht mehr wie bisher nach drei Stunden, sondern frühestens nach fünf Stunden Verspätung Anspruch auf Entschädigungen haben. Die Bundesregierung hat die Brüsseler Vorschläge weitgehend abgenickt.

Die Bundesregierung hat ihre Haltung zur EU-Reform der Fluggastrechte jetzt auch offiziell festgelegt. Demnach will sie die Novelle, die von Verbraucherschützern hart kritisiert wird, in Brüssel mittragen. Zu den Neuerungen gehört, dass Fluggäste künftig erst nach fünf Stunden Verspätung finanzielle und materielle Entschädigungsleistungen wie Mahlzeiten oder eine Hotelunterbringung beanspruchen können, statt wie jetzt nach drei Stunde n.

Nachverhandlungen

Die Reform sorge für einen "ausgewogenen Ausgleich der Interessen der Fluggäste und der Luftfahrtunternehmen", heißt es in einer Antwort des Verkehrsministeriums auf eine Anfrage der Grünen, die unserer Zeitung vorliegt. Das werde "an vielen, aber nicht an allen Stellen erreicht". An einem Punkt will Berlin offenbar nachverhandeln. Nach dem Vorschlag der Kommission müssen die Airlines ihre Passagiere bei Verspätungen auf der Rollbahn erst nach über fünf Stunden aus der Maschine lassen. Die Bundesregierung wolle wegen der besonderen Bedürfnisse von Behinderten hier eine Frist von zwei, maximal drei Stunden durchsetzen, heißt es in der Stellungnahme von Verkehrs-Staatssekretär Jan Mücke (FDP). Außerdem soll, so das Versprechen, das Luftfahrtbundesamt die Passagiere stärker über ihre Rechte informieren und auch "Vorort-Kontrollen" durchführen.

Brüssel hatte die Reform der acht Jahre alten Verordnung in Angriff genommen, um die Lücke zwischen Rechtsanspruch und Rechtswirklichkeit zu schließen. Denn allein in Deutschland haben jüngsten Zahlen zufolge jährlich mehr als eine halbe Million Menschen eine Flugverspätung von mehr als drei Stunden. Nur ein kleiner Teil davon aber führte auch zu Zahlungen der Airlines. Häufig werden die Ansprüche der Passagiere abgewimmelt. Außerdem ist das Verfahren kompliziert. Die Verordnung, so die Bundesregierung, schaffe mehr Rechtssicherheit für die Verbraucher, weil sie Unklarheiten und Unstimmigkeiten beseitige.

Die Verbraucherschützer aber stoßen sich an der Verlängerung der Verspätungszeit. Nach Angaben der Bundesregierung sind 65 Prozent der Verspätungen geringer als fünf Stunden. "Sie werden einfach aus dem Ausgleichssystem herausdefiniert", beklagte der Sprecher der Grünen für Tourismuspolitik, der saarländische Bundestagsabgeordnete Markus Tressel. "Das Verbraucherschutzniveau wird zusammengestrichen." Offenbar folge Berlin ebenso wie die EU mit der Novelle den Interessen der Luftverkehrswirtschaft. Die Passagiere würden "für dumm verkauft".

"Deutlicher Rückschritt"

Auch der Bundesverband der Verbraucherzentralen hat die geplante Reform in der letzten Woche als "deutlichen Rückschritt" kritisiert. Die neue Entschädigungsgrenze von fünf Stunden soll nur für Flüge bis 3500 Kilometer gelten. Bei Distanzen bis 6000 Kilometer sind neun Stunden Verspätung entschädigungslos möglich, darüber sogar zwölf Stunden. Die bisherige Drei-Stunden-Regelung galt einheitlich für alle Streckenlängen. Die Verordnung muss nun noch das Europäische Parlament passieren und kann dann voraussichtlich 2015 in Kraft treten.

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