Frühstücksweck wird kaum teurerPreispolitik des Lebensmittelhandels ist schwer zu durchschauen

Berlin. Wenn die Weizenpreise schlagartig steigen, regt sich schnell das Schreckgespenst: Der Weizen könnte knapp werden. Die Preise sind tatsächlich hoch. Ende der vergangenen Woche lagen sie bei etwa 212 Euro je Tonne, nach 168 Euro Ende Juli

Berlin. Wenn die Weizenpreise schlagartig steigen, regt sich schnell das Schreckgespenst: Der Weizen könnte knapp werden. Die Preise sind tatsächlich hoch. Ende der vergangenen Woche lagen sie bei etwa 212 Euro je Tonne, nach 168 Euro Ende Juli. Experten sehen das aber eher gelassen: Das Angebot sei einfach nicht so reichlich wie erwartet, sagt Martin Schraa von der Bonner Agrarmarkt Informationsgesellschaft (AMI).Kein Wunder: Russland verhängte ein Exportverbot, nachdem Äcker und Wälder brannten, Kanada kämpft mit Regen und Osteuropa mit Überschwemmungen. Auch in Deutschland wird die Getreideernte geringer ausfallen - um etwa ein Zehntel. Nach einem deutlichen Preisanstieg beim Weizen um 50 Prozent flaute die Panik erst einmal ab. "Die Lage hat sich nicht entspannt, aber die Angst, dass wir tatsächlich eine Knappheit bekommen, ist gewichen", erklärt der Agrar-Analyst der Commerzbank, Eugen Weinberg. Die massiven Ängste haben sich nicht bestätigt: Der wichtigste Weizenexporteur USA rechnet mit einer guten Ernte, die Lager sind voll. Zu Jahresbeginn lagen die weltweiten Weizenvorräte nach Angaben des Commerzbank-Analysten bei rund 190 Millionen Tonnen. Nach den Ernteausfällen wird die Menge deutlich sinken. Erwartet werde, dass sich die Vorräte bis zum Jahresende auf rund 175 Millionen Tonnen verringerten, sagt Weinberg. Davon lägen geschätzte 63 Millionen Tonnen in China. "In gewissen Regionen kann es schon zu einer gefühlten Knappheit kommen, allzu komfortabel ist die Lage nicht", sagt Schraa.Ernteausfälle treiben PreiseIn der Ukraine wurde eine Entscheidung über mögliche Exportbeschränkungen vertagt. Am Markt gehe man davon aus, dass die Exportmenge des Landes auf eine Million Tonnen Weizen und die gleiche Menge Gerste sinken wird, wie Schraa sagt. Vor einem Jahr exportierte die Ukraine 9,3 Millionen Tonnen Weizen und war weltgrößter Gerste-Exporteur mit 5,4 Millionen Tonnen. Russland muss wegen der schweren Ernteeinbußen wohl erstmals seit elf Jahren in großem Stil Getreide importieren. Ursprünglich wollte das Land 15 Millionen Tonnen ausführen.Schon vor dem russischen Exportverbot waren die Weizenpreise um 50 Prozent gestiegen. Das rief Spekulanten auf den Plan. Die alleinige Schuld an hohen Preisen tragen sie nach Expertenmeinung aber nicht: "Die Anleger haben zum Anstieg etwas beigetragen", erklärt Weinberg. Der Auslöser sei aber fundamentaler Natur - vor allem seien die Ernteausfälle zu nennen. "Spekulanten machen keine Trends, sondern verstärken sie", betont auch Schraa. Sie hielten aber den Markt liquide und nähmen Erzeugern das Risiko ab. Nestlé-Verwaltungsratschef Peter Brabeck-Letmathe sagte dagegen der Wochenzeitung "Die Zeit", der Einfluss von Spekulanten auf die Preise von Agrarrohstoffen werde überschätzt.Die Bundesbürger müssen nicht fürchten, dass die Brötchen drastisch teurer werden. Doch gehen die Bäckermeister davon aus, dass ein Brötchen künftig ein, zwei Cent mehr kosten könnte - wegen des höheren Getreidepreises und gestiegener Personalkosten. Die Höhe des Rohstoffanteils am Preis ist umstritten. Das Bäckerhandwerk spricht von bis zu zehn Prozent, der Bauernverband von bis zu fünf Prozent. AMI-Experte Schraa meint, dass sich die Verteuerung kaum auf den Handelspreis auswirken sollte: Da müsse es schon zur Verzehnfachung der aktuellen Weizenpreise kommen. Düsseldorf. Preise runter, Preise rauf - für die Verbraucher wird es immer schwieriger, beim Lebensmittelkauf den Durchblick zu behalten. Denn während die Händler Preissenkungen aufwendig bewerben, finden sich in den Filialen oder auf Unternehmens-Internetseiten selten Hinweise auf teurer gewordene Produkte. Als eine der wenigen Ausnahmen in der Handelsbranche gilt die Drogeriemarktkette DM: "Das Datum der letzten Preiserhöhung teilen wir den Kunden auf dem Regaletikett mit", erklärt das Unternehmen. Nach Beobachtung von Verbraucherschützern haben die Preisausschläge bei den Lebensmittelpreisen in beide Richtungen spürbar zugenommen: "Es ist nicht nur das Wetter, es sind noch ganz andere Faktoren", schildert Armin Valet, Lebensmittelexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Dazu gehörten neben Qualität und Quantität einer Ernte auch Spekulationen an den Rohstoffbörsen. Laut einer GfK-Studie konzentrierte sich der Preiskampf der Discounter und Supermarktketten 2009 auf relativ wenige, aber umsatzstarke Lebensmittel. Die Marktforscher stellten in 113 Warengruppen des täglichen Bedarfs Preisrückgänge fest, in 161 zogen die Preise hingegen an. Hart umkämpft seien 40 Warengruppen wie Kaffee, Schokolade, Butter, Joghurt und Fruchtsäfte. Verbraucher würden hier neue Preise schnell erkennen, so dass bereits leichte Preiserhöhungen umfangreiche Absatzrückgänge nach sich ziehen könnten. Branchenkenner verweisen darauf, dass sich die Handelskonzerne mit professionellen Preisermittlern regelrecht belauern: Wenn einer an der Preisschraube dreht, reagiert der andere oft noch am selben Tag. dpa

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