Saarbrücken Friseure schenken Armen einen Haarschnitt

Saarbrücken · Mehr als 70 Mitglieder eines bundesweit aktiven Vereins helfen Menschen, die es schwer haben. Jetzt frisierten sie auf dem Markt.

. „Einfach ganz kurz bitte“, sagt der Mann. Er hat auf einem Plastikstuhl am St. Johanner Markt Platz genommen. Der Friseur hinter ihm, ein tätowierter Mann mit gestyltem Bart und Sonnenbrille, hat ihm einen Frisierumhang umgebunden. Von „einfach ganz kurz“ hält der Mann mit der Schere nicht viel. „Wo du schon mal hier bist, will ich dir eine richtig coole Frisur machen, okay?“, sagt er. Zögerlich stimmt der Mann zu. Seine grauen Haare fallen auf das Kopfsteinpflaster.

Der Friseur, der die Schere angesetzt hat, ist einer von 14, die am St. Johanner Markt Bedürftigen kostenlos die Haare schneiden. Die 14 Friseure und Friseurinnen, alle mit Leder- oder Jeansjacke bekleidet, gehören zur „Barber Angels Brotherhood“. „Die Geschichte der ,Barber Angels’ beginnt im November 2016“, sagt Claus Niedermaier, Präsident und Gründer der Vereinigung: „Ich sah damals im Fernsehen, wie Obdachlose in München sich bei minus zwölf Grad irgendwie durchschlagen.“ Das habe ihn so berührt, dass er sich überlegte, was er tun kann, um diese Menschen irgendwie zu unterstützen. „Geld genug für alle haben wir nicht“, sagt der 56-Jährige: „Also müssen wir durch unser Handwerk etwas machen. Und das ist darauf ausgelegt, Menschen glücklich zu machen, ihnen mehr Selbstvertrauen zu geben.“

Also fing er an, mit Freunden und Bekannten diese Idee zu verfolgen. Der erste Einsatz war in München. Knapp 50 Menschen hätten sie damals an einem Tag die Haare geschnitten. Mittlerweile gibt es einen solchen Einsatz monatlich. Und zwar immer in anderen deutschen Städten. Am Anfang waren sie nicht mehr als zehn Friseure, heute sind es schon mehr als 70 bundesweit. „Ich hab’ zuhause noch einen Riesenstapel von Neuanträgen liegen, von Friseuren, die bei uns mitmachen wollen“, sagt er.

Einer dieser 70 Friseure ist Björn Hary aus Dudweiler. Er ist der Grund warum die Aktion dieses Mal in Saarbrücken stattfindet. Er ist seit Anfang des Jahres bei den „Barber Angels“ dabei, und wollte die Aktion nun in seine Heimatstadt bringen. „Wir brauchen dafür nur einen Kamm, eine Schere und einen Stuhl“, sagt er.

So interessant und unterschiedlich die Geschichten der vielen verschiedenen Friseure sind, so sind es auch die Lebensgeschichten derer, die sich bei ihnen die Haare schneiden lassen. Ob der Flüchtling aus dem Iran, der in Deutschland nicht arbeiten darf, oder der Steuerberater, der innerhalb eines Jahres alles verloren hat und deswegen heute auf der Straße lebt: Jeder Mensch werde hier wie ein Kunde im normalen Friseursalon behandelt, mit Respekt und Würde. „Ich hab‘ bei der Arbeit hier immer Dauer-Gänsehaut“, sagt Peter Mayer, ebenfalls Gründungsmitglied: „Wenn wir mit manchen hier fertig sind, müsste man sie nur noch in einen Anzug stecken, und sie würden aussehen wie ein Banker.“ Und genau darum geht es hier, um einen kleinen Beitrag, das Selbstwertgefühl eines Menschen so zu steigern, dass er vielleicht selbst wieder etwas erreichen kann. Deswegen darf es dann auch mal eine richtig coole Frisur sein, anstatt einfach „ganz kurz“.

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