Freisprüche für Ex-Porsche-Chefs

Stuttgart · Die früheren Porsche-Vorstände Wendelin Wiedeking und Holger Härter planten 2008 mit der VW-Übernahme den ganz großen Coup – und scheiterten. Seitdem müssen sie sich Klagen erwehren. Sie hatten immer ihre Unschuld beteuert – und bekamen gestern Recht.

 Wendelin Wiedeking (links) und Holger Härter waren gestern erleichtert. Foto: Weißbrod/dpa

Wendelin Wiedeking (links) und Holger Härter waren gestern erleichtert. Foto: Weißbrod/dpa

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Freisprüche nach einem monatelangen Strafprozess: Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking und sein früherer Finanzvorstand Holger Härter haben sich aus Sicht des Stuttgarter Landgerichts im Übernahme-Poker mit Volkswagen 2008 nichts vorzuwerfen. Beide Manager wurden gestern voll entlastet. "An den Vorwürfen der Stuttgarter Staatsanwaltschaft ist nichts dran, nichts - weder vorne, noch hinten, noch in der Mitte", urteilte der Vorsitzende Richter Frank Maurer zum Abschluss eines Verfahrens wegen Marktmanipulation. Zudem muss die mitangeklagte Dachgesellschaft Porsche SE kein Bußgeld zahlen. Damit kassierte die Staatsanwaltschaft regelrecht eine Klatsche. Sie hatte eine Freiheitsstrafe von zweieinhalb Jahren für Wiedeking und zweieinviertel Jahren für Härter gefordert. Und für die Porsche SE 807 Millionen Euro Bußgeld.

Aktienkurs verfünffacht



Die Angeklagten hatten stets ihre Unschuld beteuert. "Wir sind froh, dass dieses Kapital abgeschlossen ist", sagte der 63-jährige Wiedeking nach dem Urteil. Die Vorwürfe seien "grotesk" gewesen. "Wir waren uns immer bewusst, dass wir uns nichts vorzuwerfen haben", meinte Härter.

In dem Strafprozess ging es um die juristische Aufarbeitung der Übernahmeschlacht zwischen Porsche und Volkswagen 2008. Damals wollte sich der relativ kleine, aber überaus lukrative Sport- und Geländewagenbauer den Branchenriesen aus Wolfsburg einverleiben. Knackpunkt des Strafprozesses war die Frage, wann genau die Entscheidung zur Dreiviertel-Übernahme fiel. Lange Zeit war Porsche Vermutungen entgegengetreten, man wolle VW beherrschen. Das wäre bei einem Anteil von 75 Prozent möglich gewesen, dann hätten Wolfsburger Gewinne nach Stuttgart abgeführt werden können.

Ende Oktober 2008 kam dann doch die Bestätigung des Plans. Der Aktienkurs von VW verfünffachte sich daraufhin binnen zweier Tage - auf mehr als 1000 Euro. Hintergrund waren Spekulationen, bei denen Händler mit Leerverkäufen auf fallende Kurse gesetzt hatten. Angesichts eines nur noch geringen frei gehandelten Aktienanteils mussten die Händler Aktien zu astronomischen Kursen zurückkaufen. Doch Porsche übernahm sich. Der Riese VW schluckte letztlich Porsche . Und der überweist jetzt Milliarden-Profite nach Wolfsburg. Wiedeking und Härter mussten gehen. Und die Anleger, die auf fallende VW-Kurse gewettet hatten, verloren Milliarden. Die Staatsanwaltschaft hatte Wiedeking und Härter vorgeworfen, ihre Pläne zur Übernahme von 75 Prozent von VW verschleiert oder über diese nur mangelhaft informiert zu haben. Beide Manager hatten das stets bestritten.

Der Richter sah das auch so und zerpflückte ein Argument nach dem anderen. "Es gab keinen Geheimplan des Vorstandes, auf 75 Prozent zu gehen", sagte er.

Maurer wies darauf hin, dass kein Zeuge die Vorwürfe habe stützen können. Dies sei umso gravierender, da die Aktenlage schwierig sei. Die Staatsanwaltschaft hatte sich bei ihrer Haftforderung komplett auf Akten gestützt, weil aus ihrer Sicht Zeugen und Gutachter in dem Verfahren "unergiebig" waren. Die Schlussfolgerungen der Staatsanwaltschaft seien aber nicht stimmig, so der Richter. So sei die Annahme der Ankläger, Wiedeking und Härter hätten den Übernahmebeschluss "beim Feierabendbierchen" treffen können, unrealistisch, da so ein Beschluss hätte verbindlich sein müssen.

Einem Gutachten zufolge gab es entweder gar keinen oder keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen Porsche-Verlautbarungen und dem VW-Börsenkurs 2008. Die Anklagebehörde hatte hierauf das Gutachten als wertlos dargestellt, auch weil die falsche Methode gewählt worden sei. Diese Haltung kritisierte der Richter in seinem Urteil: "Die Staatsanwaltschaft steht mit ihrer Auffassung allein auf weiter Flur."

"Verlustgespenste"



Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, Wiedeking und Härter hätten den VW-Kurs wegen drohender Verluste von 14 Milliarden Euro hochtreiben wollen. Hierbei habe sich die Staatsanwaltschaft aber verrechnet, das seien unrealistische "Verlustgespenste", so Maurer. Für Wiedeking und Härter ist das Thema aber noch nicht abgehakt. Die Staatsanwaltschaft will die Möglichkeit einer Revision prüfen.

Der Ausgang des Strafverfahrens ist auch ein Signal an separate Zivilprozesse in Niedersachsen, wo Fonds auf mehr als fünf Milliarden Euro Schadenersatz klagen - bisher ohne großen Erfolg.

Meinung:

Krachend gescheitert

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Ein Freispruch erster Klasse für die Ex-Porsche-Chefs Wendelin Wiedeking und Holger Härter. Nichts, aber auch gar nichts hat der Richter von den Vorwürfen gelten lassen. Gewiss, die beiden Manager waren die großen Porsche-Zocker. Sie hatten einen geradezu irrwitzigen Plan zur Übernahme von VW ausgeheckt. Man kann ihnen Größenwahn vorwerfen und eine totale Fehleinschätzung der finanziellen Möglichkeiten von Porsche . Aber Marktmanipulation? Die Staatsanwaltschaft hat sich offenbar ähnlich in eine Idee verbissen wie die beiden früheren Porsche-Chefs. Und wie diese sind die Ankläger krachend gescheitert.

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