Freie Bahn für ein radikales Ackergift

Brüssel · Analyse Der Unkrautvernichter Glyphosat ist hoch umstritten. Experten warnen vor den Risiken, doch die Verlängerung der Zulassung ist in greifbare Nähe gerückt.

(/epd) Die Aussage des neuen Gutachtens ist eindeutig: Der umstrittene Unkrautvernichter Glyphosat ist nicht krebserregend. Mit dieser Bewertung der Europäischen Chemikalienagentur (Echa) wird der Wirkstoff sehr wahrscheinlich für weitere 15 Jahre in der EU zugelassen. Die Agrar-Branche begrüßt das Urteil der Behörde - Landwirte schät zen das seit Jahrzehnten verwendete Mittel nicht zuletzt wegen seines niedrigen Preises. Umweltverbände dagegen reagieren empört.

Um die Verlängerung der bestehenden Zulassung von Glyphosat in der EU hatte es eine heftige Auseinandersetzung gegeben. Der Wirkstoff ist ein Breitband-Ackergift, das so ziemlich alle Unkräuter ausradiert. Das hat negative Folgen für die Artenvielfalt: Wilde Pflanzen und Kräuter werden verdrängt, Insekten und Vögel verlieren ihre Lebensgrundlage. Doch nicht nur deshalb hatten Umweltschützer vor allem aus Deutschland, Frankreich und Italien gefordert, Glyphosat aus der Landwirtschaft und von öffentlichen Grünflächen radikal zu verbannen. Sie verweisen zusätzlich auf Aussagen von Wissenschaftlern, der Wirkstoff könne krebserregend sein. Zu diesem Schluss war unter anderem die amerikanische Krebsagentur IARC gelangt.

Im Gegensatz dazu vertraten die Experten der EU-Lebensmittelbehörde Efsa die Einschätzung, dass Glyphosat bei vorschriftsmäßiger Dosierung nicht gesundheitsgefährdend ist. Im Rahmen des EU-Zulassungsverfahrens war jedoch die notwendige Mehrheit der Stimmen unter den Mitgliedsländern verfehlt worden, die für eine Verlängerung von Glyphosat notwendig gewesen wäre. Die Zulassung des Mittels, das auf 40 Prozent aller Äcker in Deutschland zum Einsatz kommt, endete Ende Juni vorigen Jahres. Dann entschied sich die EU-Kommission, die Genehmigung für zunächst 18 Monate zu verlängern und noch ein Gutachten von der EU-Chemikalienbehörde einzuholen.

Dieses Urteil liegt nun vor, und es lässt die Landwirtschafts-Lobby aufatmen. Jetzt sei es an der Europäischen Kommission, die mehrfach verschobene Wirkstoff-Genehmigung von Glyphosat zu erteilen, fordert der Industrieverband Agrar. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) erklärte, er erwarte nach dem Ergebnis dieser zweiten Studie "eine Rückkehr zur Sachlichkeit im Umgang mit dem Thema". Seine Kabinettskollegin vom Umwelt-Ressort, Barbara Hendricks (SPD), lässt allerdings nicht locker. Sie verweist darauf, dass auch die Experten von der Echa-Behörde den Wirkstoff für gefährlich halten: Glyphosat schädige ernsthaft die Augen und sei giftig für Organismen im Wasser, heißt es in ihrem Bericht. Und Martin Häusling, für die Grünen im Europa-Parlament, verweist erneut auf die Bedrohung der Artenvielfalt durch Glyphosat.

Doch solange konventionelle Methoden in der Landwirtschaft von Verbrauchern und Politik akzeptiert sind, wird es Mittel wie Glyphosat weiter geben. Weiter geben müssen. Wenn zwei zuständige Kontrollbehörden der EU feststellen, dass der Wirkstoff nicht krebserregend ist, muss der Weg frei sein für eine weitere Zulassung. Das verlangen die rechtsstaatlichen Prinzipien. Auch die Kritiker von Glyphosat müssen die Spielregeln akzeptieren. Und die heißen: Nach dem Vorsorgeprinzip in Europa prüfen die zuständigen Behörden, ob eine Gesundheitsgefährdung besteht. Wenn sie ihr Okay geben, steht der Zulassung eines Mittels nichts im Wege. Alles andere wäre auch schlimm. Dann würden nicht Fakten entscheiden, sondern Stimmungen und Kampagnen.

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