Frankreichs Burka-Verbot ist vor allem Symbolpolitik

Paris. Symbol der grausamen Unterdrückung von Frauen und Zeichen eines fundamentalistischen Islams: Mit dieser Argumentation hat Frankreich 2011 als erstes westliches Land Vollschleier verboten. Nach zwölf Monaten fällt die Bilanz durchwachsen aus. Nach Einschätzung von Kritikern hat das Gesetz allenfalls zur weiteren Stigmatisierung der betroffenen Muslime beigetragen

Paris. Symbol der grausamen Unterdrückung von Frauen und Zeichen eines fundamentalistischen Islams: Mit dieser Argumentation hat Frankreich 2011 als erstes westliches Land Vollschleier verboten. Nach zwölf Monaten fällt die Bilanz durchwachsen aus. Nach Einschätzung von Kritikern hat das Gesetz allenfalls zur weiteren Stigmatisierung der betroffenen Muslime beigetragen. Sie verweisen darauf, dass keine einzige Frau bekannt sei, die wegen des Verbots auf Vollschleier wie Burka oder Nikab verzichte.Der Menschenrechtler Rachid Nekkaz hat sogar aus Protest gegen das Gesetz und zur Unterstützung der Betroffenen bereits 2010 die Organisation "Touche pas à ma constitution" (deutsch: Rühr' meine Verfassung nicht an) gegründet. Sie bietet allen betroffenen Frauen an, für ihre Bußgelder aufzukommen. Bislang hat er allerdings seinen mit einer Million Euro ausgestatteten Fonds noch nicht häufig anzapfen müssen. Gerade mal eine Handvoll Bußgeldbescheide sind bislang bekannt geworden. Die meisten Frauen werden - wenn überhaupt - lediglich verwarnt. Dabei scheint die Verfolgung von Schleierträgerinnen nicht gerade zu den Lieblingsaufgaben der Polizisten zu gehören.

Vor allem in Pariser Vororten sind immer wieder Nikab-Trägerinnen zu beobachten, die sich völlig unbehelligt von Streifenbeamten auf der Straße bewegen. Eigentlich riskieren sie jedes Mal eine Strafe in Höhe von 150 Euro, wenn sie ihr Gesicht hinter Kleidungsstücken verstecken, die nur schmale Sehschlitze für die Augen offen lassen (Nikab) oder diese sogar noch mit einem Gitterschleier verdecken (Burka). Zudem kann ihnen ein Kurs in Staatsbürgerkunde aufgebrummt werden.

Exemplarisch für das Gesetz gilt auch, dass die ersten verurteilten Frauen gegen das Verbot kämpfende Aktivistinnen waren. "Wir können nicht akzeptieren, dass Frauen verurteilt werden, weil sie ihre Überzeugung ausleben", kritisierte eine von ihnen nach dem Urteilsspruch. Sie kündigten an, notfalls bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg ziehen.

Indirekte Unterstützung bekamen sie vom Menschenrechtskommissar des Europarates, Thomas Hammarberg. Als nach Frankreich im vergangenen Sommer auch Belgien ein Burka-Verbot einführte, zeigte er sich höchst besorgt. "Es ist wahrscheinlich, dass diese Gesetze die Frauen zusätzlich stigmatisieren und sie noch mehr vom gesellschaftlichen Leben abschotten", kommentierte er. Die Verbote könnten sogar dazu führen, dass Frauen sich nicht mehr in Krankenhäuser oder Behörden trauten.

Dass die französische Politik das Gesetz angesichts der umstrittenen Bilanz noch einmal überdenkt, gilt als ausgeschlossen. Bei der Einführung waren sich alle großen Parteien einig gewesen und hatten eine breite Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Zudem steht die Präsidentenwahl an. Nach den Terroranschlägen von Toulouse und Montauban ist der Kampf gegen radikale Islamisten Top-Wahlkampfthema. Und gerade die Frauen der radikalen Islamisten sind als Nikab-Trägerinnen bekannt. "Die Burka ist kein religiöses Zeichen, sondern ein Zeichen der Unterwerfung. Sie ist in Frankreich nicht willkommen", sagt Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy. Er hat nie angefochten, dass es ihm vor allem um die Symbolik ging.

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