Frankreich schaut über den RheinFesto investiert Millionen in St. Ingbert Eurodistrict Saarmoselle wirbt auf HannovermesseDeutsche Stahlindustrie boomt, klagt aber über teure Rohstoffe

Paris/Hannover. "Deutsche Qualität" - in der französischen Automobilwerbung wird der Begriff nicht einmal mehr übersetzt. Um die technischen Vorzüge der Produkte von der anderen Rheinseite zu verstehen, brauche es keine Übersetzung, wird französischen TV-Zuschauern vermittelt. Das diesjährige Partnerland der Hannovermesse erlebt zur Zeit eine Art Deutschland-Boom

Paris/Hannover. "Deutsche Qualität" - in der französischen Automobilwerbung wird der Begriff nicht einmal mehr übersetzt. Um die technischen Vorzüge der Produkte von der anderen Rheinseite zu verstehen, brauche es keine Übersetzung, wird französischen TV-Zuschauern vermittelt. Das diesjährige Partnerland der Hannovermesse erlebt zur Zeit eine Art Deutschland-Boom. Der wirtschaftliche Musterschüler hat die Krise gut gemeistert und damit Vorbild-Charakter, befand Präsident Nicolas Sarkozy.Auch die politisch etwas eingetrübte Stimmung wegen der deutschen Verweigerungshaltung bei der von Sarkozy maßgeblich aufgebauten Koalition gegen Libyens Machthaber Muammar-al Gaddafi konnte dem kaum etwas anhaben. Seit Jahrzehnten sind beide Länder nicht nur wirtschaftlich über tausende Partnerschaften in allen Bereichen der Gesellschaft eng miteinander verflochten. Bei stattlichen 114 Milliarden Euro lag der gegenseitige Handelsaustausch 2009 - aktuellere Zahlen liegen noch nicht vor. Für das Saarland ist Frankreich der mit Abstand wichtigste Handelspartner: Das Volumen der Ein- und Ausfuhren belief sich 2010 auf knapp 4,3 Milliarden Euro.

Doch dem deutsch-französische Handel entgehen nach Ansicht von Experten jährlich Milliardenwerte, weil sich Mitarbeiter und Manager beider Länder trotz wortreicher Verhandlungen oft kaum verstehen. Vorurteile halten sich hartnäckig, und kulturelle Unterschiede schaffen nach wie vor Barrieren. "Der bilaterale Handel könnte bis zu 40 Prozent höher liegen ohne diese Hürden", schätzt Marion De Vries unter Hinweis auf Experten-Analysen. Die Seminarleiterin der Beratungsfirma SAM International hat vor wenigen Wochen in Paris bei der Deutsch-französischen Industrie- und Handelskammer beim Abbau von gegenseitigen Vorurteilen zu helfen versucht. Ihre Erkenntnis: Vor allem beim Mittelstand hakt es im deutsch-französischen Handel oft.

Spezielle Kurse trainieren das gegenseitige Verständnis. Überaus wichtig sei das persönliche Gespräch. Bei Übernahmen von deutschen oder französischen Unternehmen seien die wenigsten auf kulturelle Unterschiede vorbereitet. De Vries: "In fast 80 Prozent aller Fälle gibt es trotz des vorhandenen guten Willens auf beiden Seiten handfeste Probleme."

Trotzdem sind die Wirtschaftsräume stark miteinander verschränkt. Rund 3000 deutsche Firmen haben nach Angaben der Handelskammer in Frankreich etwa 300 000 Arbeitsplätze geschaffen. Schwerpunktregionen sind das Elsass sowie der Großraum Paris.

Umgekehrt haben die rund 2200 französischen Firmen in Deutschland etwa 250 000 Arbeitsplätze geschaffen - sie sind schwerpunktmäßig vor allem in Nordrhein-Westfalen zu finden.Hannover. "Frankreich ist Partnerland der diesjährigen Hannovermesse, und wir feiern unser einjähriges erfolgreiches Bestehen - Motive genug, bei der weltweit größten Technologieschau Flagge zu zeigen." So begründeten gestern die Präsidentin des Eurodistrict Saarmoselle, Saarbrückens Oberbürgermeisterin Charlotte Britz (SPD), und Vizepräsident Gilbert Schuh, Bürgermeister der Gemeinde Morsbach, die Entscheidung, sich in Hannover zu präsentieren.

"Wir wollen einfach bekannter werden. Die Besucher sollen sehen, was wir heute schon leisten und wie weit wir mit dem Strukturwandel sind", erläutert Schuh und zeigt auf einen Elektro-Smart, der Blickfang am Stand in Halle 13 (Stand D10) ist. Der im Mai 2010 gegründete Eurodistrict umfasst den Regionalverband Saarbrücken und die benachbarten französischen Gemeindeverbände von Creutzwald bis Sarralbe. Im District wohnen rund 600 000 Menschen.

Britz kündigte an, dass man demnächst ein grenzüberschreitendes Gewerbeflächen-Kataster zur Verfügung stellen will. Außerdem wollen die acht Mitglieder des District in den Bereichen erneuerbare Energien oder Gesundheit enger zusammenarbeiten. Ein Beispiel von Flächen-Vorsorge präsentiert Marc Nadler vom französischen Gemeindeverband Warndt (Creutzwald). "Wir planen zusammen mit Überherrn ein gemeinsames Gewerbegebiet", erläutert er. Es stößt auf französischer Seite an die Areale "Häsfeld" (Überherrn) und "Lisdorfer Berg" (Saarlouis). Wenn die daran vorbei führende Bundesstraße 269, die das deutsche mit dem französischen Autobahnnetz verbindet, "fertig ist, sehen wir hier ein großes Entwicklungspotenzial", meint Nadler. low

Hannover. Die deutsche Stahlindustrie brummt, muss aber weiter stark anziehende Rohstoffpreise für Erze und Kokskohle verkraften. Sorgen machen auch die steigenden Kosten beim Strom und die Umweltauflagen, die auf die Branche zukommen. Auf diesen Nenner brachte gestern Hans-Jürgen Kerkhoff, Präsident der Wirtschaftsvereinigung Stahl, die Situation der Branche anlässlich der Hannovermesse.

Die deutsche Rohstahlproduktion werde in diesem Jahr um vier Prozent auf 45,5 Millionen Euro wachsen, ist Kerkhoff überzeugt. Vor allem in Deutschland arbeiten die Hochöfen, Stahlwerke und Walzstraßen am Anschlag. Die Auslastung liege bei 90 Prozent. "Sie fällt damit zehn Prozentpunkte höher aus als der weltweite Durchschnitt", sagte der Verbandspräsident. Auch die Auftragseingänge seien hoch "und werden in den kommenden Monaten noch weiter zulegen". Getragen werde die hohe Nachfrage unter anderem vom Aufwind in den exportorientierten Branchen der deutschen Industrie wie den Automobil-Herstellern oder dem Maschinenbau.

Sorgenkind Nummer eins sind die kräftig steigenden Kosten für Rohstoffe. Binnen eines Jahres seien die Preise für Eisenerz um 150 Prozent und die für Kokskohle um 75 Prozent gestiegen. Die ersten Abschlüsse für das zweite Quartal "lassen ebenfalls nichts Gutes erahnen", befürchtet Kerkhoff. Auch der Schrottpreis liege mit 350 Euro pro Tonne schon wieder im oberen Segment. Zudem schlagen steigende Strompreise bei den Hütten kräftig zu Buche. Allein die Einspeise-Umlage für erneuerbare Energien "wird die Stahlindustrie in diesem Jahr 180 Millionen Euro kosten", rechnet Kerkhoff vor. Hinzu kämen ab 2013 zusätzliche 250 Millionen Euro für den Kauf von Emissionszertifikaten. Die Naturkatastrophe in Japan treffe die deutsche Stahlindustrie kaum, da die Import- und Exportmengen sehr gering sind. low

Hannover. Das Festo-Werk St. Ingbert wird innerhalb des Werkverbundes zum Zentrum für elektrische Antriebe. Das kündigte Eberhard Veit, Vorstandschef des schwäbischen Pneumatik-Spezialisten und Industriezulieferers Festo, gestern auf der Hannovermesse an. "Das ist ein Riesenpotenzial, es wird ähnliche Dimensionen erreichen wie die Produktion von Pneumatik-Teilen." Diese elektrische Antriebe werden zum Beispiel in Lkw-Getriebe-Einheiten verbaut und helfen, den Kraftstoffverbrauch zu senken. Um die neuen Komponenten herstellen zu können, sollen in St. Ingbert bis zu 15 Millionen Euro in Maschinen und Anlagen fließen. Zehn Millionen Euro sollen für die Entwicklung dieser neuen Fertigungsverfahren aufgewendet werden.

Bei Festo in St. Ingbert sind rund 2500 Frauen und Männer beschäftigt. Die Zahl der Mitarbeiter "zieht wieder leicht an", sagte Personalvorstand Alfred Goll. "St. Ingbert wird innerhalb der Festo-Gruppe weiterhin der größte Produktions-Standort bleiben", versicherte Veit. Schon heute wächst der neue Geschäftsbereich Elektrische Antriebe überdurchschnittlich. Im vergangenen Jahr legte diese Sparte um 90 Prozent zu.

Im Jahr 2010 ließ Festo die Krise weit hinter sich. Der weltweite Umsatz wuchs um 37 Prozent auf 1,8 Milliarden Euro. Für das laufende Jahr erwartet das Unternehmen einen Umsatz von rund zwei Milliarden Euro. Die Zahl der Mitarbeiter stieg weltweit um 1100 auf 14 600 Beschäftigte. Davon sind 6800 (Vorjahr 6600) Mitarbeiter in Deutschland tätig. Für Neuentwicklungen wendete Festo rund 9,5 Prozent des Umsatzes auf. Der Schwerpunkt der Forschungsaufwendungen (80 Prozent) und der Investitionen (mehr als 50 Prozent) liege weiterhin in Deutschland. low

Hintergrund

Die deutschen Maschinen- und Anlagenbauer blicken trotz der Risiken durch die Katastrophe in Japan mit höheren Erwartungen auf das laufende Jahr. Die Auftragseingänge hätten im Februar im Vergleich zum Vorjahr um 38 Prozent zugelegt, berichtete der Branchenverband VDMA gestern auf der Hannovermesse. Für 2011 erwartet der VDMA jetzt einen Anstieg der Produktion um 14 Prozent, bisher war mit zehn Prozent gerechnet worden. dpa

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