In Wort und Bild Diese Comics empfehlen unsere Volos
Comics sind nur etwas für Kinder? Wer das glaubt, kennt einfach keine guten. Unsere Volontäre sind jedenfalls erwachsen und haben hier einige ihrer Lieblingsbildergeschichten gesammelt.
Der Holocaust als Comic, mit Nazis als Katzen und Juden als Mäusen? Klingt unangemessen, ist aber der Versuch des Autors, die Grauen der NS-Zeit in erträglichen – aber nichtsdestotrotz eindrücklichen – Bildern begreifbar zu machen. Der Amerikaner Art Spiegelman erzählt in dieser in schwarz-weiß gehaltenen Fabel die Lebensgeschichte seines polnisch-jüdischen Vaters, der Auschwitz überlebte. Dabei bringt er als Autor und Zeichner in Personalunion auch seine eigenen Reaktionen und ambivalenten Gefühle gegenüber dem alten Herrn zu Papier, der trotz (oder gerade wegen) seiner traumatischen Erfahrungen zu einem griesgrämigen, schwer erträglichen Eigenbrötler wurde.
Nicht alle waren von den Tiermetaphern, die Spiegelman wählte, begeistert: So wurde sein Werk im Heimatland seines Vaters sogar öffentlich verbrannt, da Spiegelman (nicht-jüdische) Polen als Schweine darstellt. Trotzdem: Erstmals ab 1980 in Fortsetzungen in Spiegelmans eigenen Underground-Magazin erschienen, wurde „Maus“ spätestens als Sammelband zu einem international gefeierten Erfolg. Ihm gelang damit ein doppelter Wurf: Er schuf ein Zeugnis der Shoa in noch nie dagewesener Form – und bewies gleichzeitig, wie relevant Comics als Medium sein können. Dafür bekam er 1992 den Pulitzer-Preis. Und das völlig zurecht. Wer Comics verstehen will, kommt an „Maus“ nicht vorbei. Aline Pabst
Art Spiegelman: Maus – Die Geschichte eines Überlebenen. Fischer, 300 Seiten, 18 Euro.
Ein Mann, der alleine durch die Straßen der Großstadt streift, sich dort mit allerlei dubiosen Gestalten anlegt, um Dämonen das Handwerk zu legen. Das ist der Ausgangspunkt für die Hellblazer Comic-Serie. Wem das nichts sagt: Die Geschichten um den „okkulten Detektiv“ im Trenchcoat mit schwerer Nikotin-Abhängigkeit sind inzwischen unter dem Namen des Protagonisten John Constantine besser bekannt: Das Material wurde von Hollywood verfilmt und kam 2005 mit „Matrix“-Star Keanu Reaves in der Hauptrolle in die Kinos. Der US-Fernsehsender NBC versuchte sich 2014 an einer Adaption fürs Fernsehen – stellte die Serie aber schon nach einer einzigen, 13 Folgen umfassenden Staffel wieder ein.
Ob die Figur gut von den Comicbuch-Seiten auf den Bildschirm übertragen wurde, lässt sich lange diskutieren. Wer einmal einen Blick ins Original werfen will, wird allerdings auf ein paar Hürden stoßen. Die ersten Aufritte des britischen Antihelden finden sich in „fremden Comics“, namentlich Swamp Thing („Das Ding aus dem Sumpf“) Nummer 37 aus dem Jahr 1985 und sind aktuell – vor allem auf Deutsch – ebenso schwierig zu bekommen wie zahlreiche ältere Hellblazer-Comics. Die beste Möglichkeit bietet die neueste Auflage der Geschichte, in der John Constantine nach einer „magischen Apokalypse“ in einer Welt erwacht, die er kaum wiedererkennt. Klingt verrückt? Ist es auch. Martin Trappen
Simon Spurrier: John Constantine: Hellblazer Bd. 1, Panini Verlag, 26 Seiten, 23 Euro.
Der Fall der Gesche Gottfried erregte zwischen 1828 und 1831 nicht nur in Bremen Aufmerksamkeit. Nicht nur, weil die vermeintliche freundliche Frau aus der Nachbarschaft über Jahre hinweg insgesamt 15 Menschen mit Mäusebutter, eine Mischung aus Butterschmalz und Arsen, vergiftete, darunter auch ihren Mann, ihre Eltern und Kinder, sondern auch, weil an ihr die letzte öffentliche Hinrichtung in Bremen vollzogen wurde. Noch heute erinnert der Spuckstein auf dem Domhof in Bremen daran, wo einst das Schafott gestanden haben soll.
Die Motive der Serienmörderin sind bis heute ungeklärt. Vielleicht war das der Grund, wieso der Autor Peer Meter und die Illustratorin Barbara Yelin sich der historischen Figur der Gesche Gottfried annahmen. Vielleicht aber auch, um zu zeigen, wie ungerecht das Patriarchat gegenüber Frauen ist und wie wenig psychische Erkrankungen damals vor Gericht eine Rolle spielten.
Zeugin dessen wird die Erzählerin der Geschichte, die für einen Verlag einen Reisebericht über die Hansestadt anfertigen soll. Ihre feministische Sicht kollidiert mit der konservativen Haltung der Obrigkeit, die Gottfried als kaltblütige Mörderin sehen. Im Widerspruch dazu stehen jedoch die Aussagen der Mörderin in ihrem Verhör, die Autor und Illustration in Rückblenden eingearbeitet haben. Die schlichten schwarz-weiß-Zeichnungen rücken zudem die Handlung in den Fokus. Tina Leistenschneider
Peer Meter, Barbara Yelin: Gift. Reprodukt, 200 Seiten, 24 Euro.
Die Kritiker bezeichneten ihn als „uninspiriert“, „kitschig“ und als „gar nicht fabelhaft“. Dennoch erreichte die Verfilmung von Peter S. Beagles Roman „Das letzte Einhorn“ insgeheim Kultstatus. Was nicht zuletzt an seinem einprägsamen Soundtrack und dem unverkennbaren Anime-Stil liegt, mit dem der Film zumindest in der westlichen Welt seiner Zeit voraus war.
Mit ihrer Comic-Adaption von 2011 schaffen es Peter B. Gillis und die beiden Künstler Renae de Liz und Ray Dillon nun, die Magie des Films gekonnt in Erinnerung zu rufen. In eindrucksvollen Bildern erzählt die Graphic Novel die Geschichte eines Einhorns, das herausfinden will, ob es wirklich das letzte seiner Art ist. Auf seiner Suche bereist es eine Welt, die von Gier und Finsternis geprägt ist und in der die meisten Menschen nicht einmal Magie erkennen, wenn sie leibhaftig vor ihnen steht. Doch mit dem Zauberer Schmendrick und der Räuberbraut Molly Grue trifft es auch auf Freundschaft und Mut und stellt sich schließlich sogar dem kaltherzigen König Haggard und dem flammenden Roten Stier, um hinter das Geheimnis zum Verbleib seiner Artgenossen zu kommen.
Für alle, die „Das letzte Einhorn“ nicht kennen, bietet die Comic-Adaption eine wunderbare Gelegenheit, in einen der Klassiker der Fantasy-Literatur hineinzuschnuppern. Und auch die Kenner der Film-Adaption kommen hier dank zusätzlicher Szenen voll auf ihre Kosten. Tom Peterson
Peter S. Beagle: Das letzte Einhorn. Panini Verlag, 180 Seiten, 25 Euro
Am 7. Januar 2015 entkommt die Karikaturistin Catherine Meurisse nur durch einen Zufall dem Attentat auf Charlie Hebdo – sie kommt zu spät zur Redaktionssitzung, weil sie nach einer unruhigen Nacht voller Liebeskummer verschlafen hat. Zwei Al-Qaida-Terroristen hatten das Gebäude gestürmt. In den Räumen des Satiremagazins musste elf Menschen ihr Leben lassen. Die Karikaturistin des Blattes verliert Kollegen und Freunde. Die Bilder des Attentats gehen um die Welt. „Je suis Charlie“ – „Ich bin Charlie“ wird zum Inbegriff der Solidarität der Menschen rund um den Globus.
Die traumatischen Erlebnisse des Anschlags verarbeitet Catherine Meurisse kaum ein Jahr danach in ihrer Graphic Novel „Die Leichtigkeit“. Ihre Zeichnungen wirken schwermütig, vermitteln aber trotzdem eine gewisse Einfachheit ohne große Spielerei. Nur wenige Farben und wenige Pinselstriche lassen den 7. Janaur 2015 Revue passieren und blicken auf Meurisses beschwerlichen Weg zurück zum Zeichnen. So gibt die Zeichnerin ihrer Trauer und der Lethargie, sich selbst wiederzufinden, den Raum, den sie braucht, um die das Trauma zu verarbeiten. Mehr benötigt die heute 41-Jährige nicht, um auszudrücken, dass sie sich nicht einschüchtern lässt. Ihrer Geschichte genügt diese schlichte Leichtigkeit. Für die Graphic Novel erhielt Meurisse 2017 den Rudolph Dirks Award der deutschen Comic-Con. Jessica Becker
Catherine Meurisse: Die Leichtigkeit. Carlsen Verlag, 144 Seiten, 20 Euro.
Die glorreiche Zeit der Superhelden ist vorbei. In einer fiktiven Version der USA in den 1980er Jahren wurden alle maskierten Vigilanten dazu gezwungen, in den Ruhestand zu gehen oder für die Regierung zu arbeiten. Ihre Kostüme hängen verstaubt im Schrank und die demaskierten Helden versuchen, ein normales Leben zu führen. Doch als der ehemalige Kriegsheld The Comedian tot aufgefunden wird, macht sich der illegale Superheld Rorschach auf die Suche nach dem Mörder. Schon bald wittert er hinter der Tat eine Verschwörung, die auch alle anderen ehemaligen Superhelden bedroht.
Das ist der Beginn der Graphic Novel „Watchmen“. Es erschien erstmals 1986, ist eines der bekanntesten Werke des Genres und hat einen Kinofilm (2009) und eine HBO-Serie (2019) inspiriert. Autor Alan Moore beschreibt ein Land zur Hochzeit des Kalten Krieges, in dem ein Atomkrieg kurz bevor steht. Die Geschichte wird unterbrochen durch Zeitungsartikel und Interviews, die den Protagonisten eine real anmutende Vergangenheit verpassen. Die Zeichnungen stammen von Dave Gibbons, der mit seinen Bildern eine düstere Atmosphäre schafft. „Watchmen“ ist ein Gesamtkunstwerk, das die filmischen Adaptionen schon immer überstrahlte. Zu düster sind die Bilder, zu abgründig die Geschichte, als dass Hollywood der Graphic Novel gerecht werden konnte. Deshalb sollte man diesen Klassiker unbedingt einmal lesen. Jakob Hartung
Alan Moore, Dave Gibbons: Watchmen. Panini Verlag, 448 Seiten, 25 Euro.