20 Jahre 9/11 Erinnerungen an den Terror vom 11. September 2001
Es sind Bilder, die auch 20 Jahre später nichts von ihrem Schrecken verloren haben: Am 11. September 2001 entführten Terroristen mehrere Flugzeuge und steuerten sie ins World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington. Die Passagiere eines weiteren Flugzeuges überwältigten die Terroristen, bevor sie ihr Ziel erreichten, doch die Maschine stürzte ab. Mehrere tausend Menschen kamen ums Leben.
Es war ein Tag, dessen Konsequenzen die Weltpolitik der folgenden 20 Jahre prägen sollte – und es wahrscheinlich noch weiter tun werden. Für mehrere Generationen war der 11. September 2001 ein gewaltiger Einschnitt: Es gab eine Welt vor „9/11“ – und eine Welt danach. Kaum ein anderes Datum benötigt keine Jahreszahl, um Bilder, Erinnerungen und Gedanken hervorzurufen.
Redakteurinnen und Redakteure der SZ erinnern sich zurück an diesen dunklen Tag und die Nachrichten, die das Leben schlagartig veränderten.
Bilder, die man nie wieder vergisst
Nicole Bastong
Es gibt diese Tage, an denen Historie das persönliche Leben kreuzt. Kaum jemand muss überlegen, wo er am 11. September 2001 war und was er an dem Tag gemacht hat.
Ich saß gerade beim Mittagessen, als ich im Radio hörte, dass ein Flugzeug ins World Trade Center geflogen war. Ich war gerade von der Schule heimgekommen, 17 Jahre alt, das letzte Jahr vor dem Abitur. Im Wohnzimmer meiner Eltern verfolgte ich fassungslos und starr vor Schreck die Bilder aus New York, Trümmer, verletzte Menschen im Ascheregen. Stundenlang, ich konnte nicht mehr aufstehen.
Ich erinnere mich auch an die Angst und die überall gegenwärtige Unruhe in den nächsten Tagen: Wenn das Unvorstellbare passiert ist, was kommt danach? Was da genau geschehen war, die Hintergründe, die politischen Auswirkungen, verstand ich nicht. Aber dass sich gerade die Welt veränderte: Tausende Tode, ein Terroranschlag auf amerikanischem Boden, der Westen unter Schock.
Nine/Eleven war ein Einschnitt wie der Mauerfall oder die Mondlandung – das erste bewusst erlebte geschichtliche Ereignis, das eine Generation prägt.
Diese Aufnahmen bleiben im Kopf
Tina Leistenschneider
Ich war erst acht Jahre alt, als ich im Fernsehen diese Bilder das erste Mal sah: Einer der Türme, der schon qualmte. Dann das zweite Flugzeug, das rasend schnell in den zweiten Turm stürmte. Eine große Explosion. Mehr Qualm. Mehr Tote. Mehr Leid.
Bis heute gehen mir diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf. Ich sah, was passierte, aber ich war noch zu klein, um sie zu begreifen. Ich wusste bis dahin nicht, was Terror ist, was er auslöst und wie groß Verzweiflung sein kann. Denn zu sehen war auch, wie sich Menschen 400 Meter tief in den Tod stürzen. In einer Doku über Nine/Eleven nannten sie das „public dying“, öffentliches Sterben.
Die Aufnahmen des Terroranschlags in New York bleiben unvergessen. Ebenso seine Folgen. Als wir zwei Wochen später in den Urlaub flogen, reiste die Angst mit im Gepäck. Die Sicherheitsvorkehrungen an Flughäfen sind seither massiv verschärft worden.
Bis heute verstehe ich nicht, wie Menschen zu so einer Tat in der Lage sind. Rational zu erklären ist das nicht. Und so wünsche ich mir, dass die Vernunft siegt und der Terror auf der Welt endlich aufhört – zum Frieden aller.
Horror statt Urlaubsgefühle
Peter Neuheisel
Der Sommerurlaub war auf den letzten Drücker gebucht – zehn Tage Mallorca mit Frau und vierjährigem Sohn. An diesem Dienstag kamen wir früher von einem Ausflug ins Hotel zurück, weil wir abends ein kleines Hafenfest im Ort besuchen wollten. Also Sohnemann schnell kurz vor dem Fernseher geparkt – Kinderprogramm von Sat.1 an, während die Eltern sich ausgehfertig machten.
Dann die böse Überraschung: Sollte da statt „Paddington Bär“ etwa ein Katastrophenfilm laufen? Beim genauen Hinsehen wird schnell deutlich: Das ist nicht „Independence Day“, das ist die harte Realität.
Am unteren Bildrand laufen die Breaking News von CNN, die Aufnahmen zeigen das qualmende World Trade Center in New York. Schnell den Kleinen in Sicherheit gebracht, das musste er jetzt wirklich nicht sehen. Da rast schon ein Flugzeug in den noch intakten zweiten Turm. Mein Gott, welch ein Horror!
Aus dem Hafenfest wurde an diesem Tag natürlich nichts. Im ganzen Hotel herrschte gespenstische Stille – auch einen Tag danach. Der Urlaub war gelaufen, manche Gäste buchten tatsächlich die nächste Maschine und flogen heim. Wir hatten noch zwei Tage, blieben schweren Herzens.
Den Tag der Abreise werden wir wohl nie vergessen – dieses mulmige Gefühl, als unser Flugzeug abhob. Oder der aufbrandende Applaus der Passagiere, als der Pilot die Maschine sicher auf der Ensheimer Landebahn aufsetzte.
Auf Mallorca waren wir seither übrigens nie mehr. Auch die Begeisterung fürs Fliegen will sich bis heute nicht mehr so recht einstellen.
Dieser Tag veränderte unser Leben
Melanie Mai
Als ich im Dezember 2000 im Keller des World Trade Centers stand, spürte ich in mir ein beklemmendes Gefühl. Hier also war damals – 1993 – die Bombe explodiert. Nicht ahnend, dass ein paar Monate später nichts mehr von dem imposanten Gebäude übrig sein würde.
Den 11. September 2001 werde ich nie vergessen. Ich saß in der Redaktion in Merzig, als mein Mann mich anrief. „Das World Trade Center brennt“, sagte er. Er, der für die US-Army arbeitet, hatte das gerade im Fernsehen in seinem Büro gesehen. „Brennt“, das klang noch so harmlos. Wenige Minuten später war das Bild deutlich dramatischer.
Ich schlief die ganze Nacht nicht. Und die nächsten Tage waren geprägt von Angst. Vor einem Krieg. Vor einem Anschlag auf einen US-Standort in unserer Nähe.
Und das Leben bei uns in Baumholder änderte sich für immer. Konnte man bisher noch auf den US-Standort fahren, wann immer man wollte – um etwa einen Burger zu essen –, so ging es nun los mit umfangreichen Bauarbeiten. Die Amerikaner schlossen sich ein. Das Gelände ist heute umzäunt. Nur, wer einen entsprechenden Ausweis hat, wird hereingelassen.
Für mich ist es auch ein 10/11
Markus Renz
Am Tag der Anschläge waren mein Bruder und ich auf dem Sportplatz. Es war Wettkampftag. Zweiter von drei Versuchen, ich riss die Hochsprungstange. Mist, das war’s für den Moment. Während ich zusah, ob die anderen die Höhe überspringen würden, kam eine Trainerin auf uns zu. „In den USA sind zwei Türme von Flugzeugen getroffen worden.“
Keiner von uns verstand so richtig, was die Trainerin da eben gesagt hatte. „Wieso?“, fragte ein Kumpel. „Die Flugzeuge wurden hinein geflogen.“ Warum jemand Flugzeuge in Hochhäuser steuerte, passte uns Kindern so gar nicht in die Köpfe. Ich war zehn, wollte die verdammte Höhe schaffen – und der Wettkampf ging einfach weiter. „Sie sind eingestürzt!“ Auf dem Platz machte die Nachricht sofort die Runde. Der traurigste Tag Amerikas, die USA ins Herz getroffen, so groß und mächtig und doch so verwundbar.
Auf der Heimfahrt Dauerschalten im Radio. Weinende, wehklagende, fassungslose Menschen. Der 11. September 2001. Ein Datum, das zum Begriff werden wird: „9/11“. Der Tag der Anschläge, ausgerechnet der Tag, an dem mein Vater Geburtstag hat. Ausgerechnet in dem Jahr, als ich elf Jahre alt werden würde. „9/11“ bleibt mir auch als ein 10/11-Ereignis in Erinnerung – eines das stattfand, als ich zehn Jahre alt war und elf Jahre alt werden würde.
Und plötzlich war die Staubwolke real
Evelyn Schneider
Es geht mir wie vielen: Ich weiß noch genau, was ich am 11. September 2001 gemacht habe. Es war ein gemütlicher Start in den Tag. Ich hatte eine Freundin zu Frühstück und Filmschauen eingeladen. Wir entschieden uns für „Vulcano“. Dessen Schluss-Szenen von Menschen, die mit Asche und Staub bedeckt sind, haben sich in mein Gedächtnis gebrannt. Niemals hätte ich es in jenem Moment für möglich gehalten, dass ich solche Bilder wenige Stunden später nochmals sehen würde.
„Da ist etwas mit dem World Trade Center“, lautete die kryptische Nachricht meiner Freundin, die mich erreichte, als sie wieder zu Hause war. Als ich den Fernseher anschaltete, sah ich, wie ein Flugzeug in den Wolkenkratzer flog. Es war das zweite. Alles schien so unwirklich. Eine Stunde später fiel der erste der Zwillingstürme in sich zusammen, kurz darauf der zweite. Und da waren sie wieder – die Bilder von Menschen in einer Staubwolke, doch dieses Mal real. Von jetzt auf gleich war die Welt eine andere.
2010 stand ich dann an jenem Ort, an dem die beiden berühmten Türme einst in den Himmel ragten. Es war ein seltsamer Moment – zwischen Erinnern und Neubeginn. Baulärm zeugte von der Arbeit am One World Trade Center.
Ich liebe New York. Der Blick auf die Skyline von Manhattan hat für mich Gänsehautfaktor – zu jeder Zeit. Das neue World Trade Center schließt eine Lücke, die über Jahre wie eine Wunde klaffte. Und doch werden sie mir immer fehlen – die alten Türme.
Als die Sekretärin weg war
Christine Maack
Zwischen 15 und 16 Uhr herrscht in saarländischen Büros Kernarbeitszeit. Zumindest war das noch so im Jahr 2001. Home-Office gab’s noch nicht, abgesehen davon, dass Heimarbeit von den Chefetagen damals wohl eher als Faulenzerei eingestuft worden wäre. Kurzum, der 11. September 2001 war ein sonniger Dienstag und kein sonniger Freitag, was mancherorts zu einem verfrühten Feierabend hätte führen können. Aber nein, Dienstag Nachmittag um 15 Uhr war überall „Schaffe“ angesagt.
Außer an jenem legendären 11. September, als mein damaliger Chef gegen 15.30 Uhr die Sekretärin suchte. Er war von ihrem beruflichen Eifer nur mäßig überzeugt – und als er sie auch noch bei offener Tür im benachbarten Büro beim Fernsehen-Gucken ertappte, war der Ärger perfekt. Fernsehen glotzen in der Arbeitszeit, das war ja wohl die Höhe! „Frau Hallmackenreuther, was fällt Ihnen ein!“ Und, zu mir gewandt: „Die guckt nebenan so einen blöden Katastrophen-Film.“ Es dauerte ein paar Minuten, dann guckten mein Chef und ich auch den Katastrophenfilm, der schrecklicherweise Realität war.
Frau Hallmackenreuther wurde rehabilitiert, denn die grässlichen Bilder der einstürzenden Türme waren wie ein Sog. Man musste sie immer wieder sehen. Bis heute kann man sich ihrer grausamen und tödlichen Faszination nicht entziehen.
Der einzige Anruf von meinem Vater
Jörg Wingertszahn
Mein Vater hat mich nie angerufen. Nur an diesem Tag, dem 11. September 2001. Die Nachrichten hatten ihn aufgeschreckt, und so erreichte er mich über mein Handy, als ich in Hamburg gerade an dem US-amerikanischen Generalkonsulat vorbeifuhr. Mehrere schwer bewaffnete Elitesoldaten standen mit Maschinenpistolen vor dem Gebäude.
Auch ich hatte vorher in der Hotel-Lobby die Bilder aus New York gesehen. Als der zweite Twin- Tower einstürzte, sahen wir zu – ein bunt zusammengewürfelter, internationaler Haufen von Hotelgästen, die die Dramatik der Ereignisse zusammengeführt hatte. Vergessen war der Landtagswahlkampf in der Hansestadt, weshalb ich überhaupt in Hamburg war.
Später am Flughafen war es in der Wartehalle mucksmäuschenstill. Nur einer hatte ein kleines Transistorradio dabei. Wir reckten alle die Hälse, um wenigstens ein paar Fetzen der Nachrichten zu erhaschen. Dann stiegen wir ein. Im Bewusstsein, dass einige tausend Kilometer weiter vier Flugzeuge von Terroristen gekapert worden waren, um damit Tausende zu töten.