Bilder und Meinungen zum Frauentag Wie sehen Saarländerinnen die Gleichberechtigung?

„Gleichberechtigung ist schön. Aber früher war die Rollenverteilung klarer, was vieles vereinfacht hat“, sagt Aurelia von Linden (34). Es sei ein gesellschaftliches Problem, dass heute beide Partner Vollzeit arbeiten müssen, um sich einen guten Lebensstandard leisten zu können. Sie ist Heilpraktikerin mit eigener Praxis. „Das mit der Selbstverwirklichung macht vieles komplizierter.“ Sie lebt mit ihrem Mann und dessen Sohn in einem Haus in Qierschied. Und fühlt sich gleichberechtigt in ihrer Partnerschaft. „Wir teilen uns die Hausarbeit. Aber ich habe viele Freundinnen, die die Hausarbeit in der Beziehung irgendwann einfach übernehmen.“ Ob Frauen einen „Versorger“ suchen? „Also wenn man sich die Dating Portale im Internet anschaut, dann auf jeden Fall.“ Da ist der Job des Mannes sein Aushängeschild. Sie selbst fühlt sich vom „großen, starken Männertyp“ angezogen. Die Erfahrungen in ihrer Praxis zeichnen auch eher traditionelle Rollenmuster: „Die Patienten, die zu Schönheitsbehandlungen kommen sind zu 99 Prozent weiblich.“ Bisher hat sie nur selten Sexismus erlebt. Angemacht zu werden ist für sie nicht schlimm, so lange der Mann ein Nein akzeptiert. „Ich nehme es eher als Kompliment, wenn mir ein Mann hinterherschaut.“ Beim Ausgehen früher hat sie so ihren „Marktwert“ festgestellt. Und Thema Flirten? „Ich sage immer Appetit holen kann man sich ja, aber gegessen wird zu Hause“, sagt sie - wohl eher in Richtung ihres Mannes, der neben ihr sitzt.

Als „Rollback“ bezeichnet Barbara Krug-Richter (64) ihren Eindruck von der aktuellen Haltung vieler Studenten zum Thema Gleichberechtigung. „Bei der Frage wie wäre der schönste Tag in deinem Leben, kam die Antwort: Eine Disneyprinzessin sein. Das war dann doch irritierend für mich“, erzählt sie. Sie ist Professorin für Historische Anthropologie und Europäische Ethnologie. Und sie hat einen eigenen Lehrstuhl an der Saar-Uni: „In meinem Fachgebiet, generell in den Kulturwissenschaften, gibt es schon einige Frauen, die Lehrstuhlinhaberinnen sind“, sagt sie. Insgesamt würden mehr Männer Professoren werden, was aber auch fachspezifisch sei. Zwar gibt es Studenten, die sich mit Gender-Studies und feministischen Theorien auseinandersetzen. Aber viele Studentinnen scheinen im Alltag eher traditionelle Rollen übernehmen, teils früh heiraten und auch gerne Hausfrau sein. „In einem Seminar zum Thema Erotik haben ein paar Studentinnen den Playboy vorgestellt. Und fanden Hugh Hefner ganz toll. Dabei gibt es doch kaum etwas sexistischeres, als Frauen in ein Bunny-Kostüm zu stecken.“ Erst in den 70er Jahren ist in der Wissenschaft das Thema Geschlechterverhältnis und kulturelle Geschlechterzuweisung aufgekommen. Gender-Studies, ein wichtiges Fachgebiet, um gesellschaftliche Zusammenhänge, gerade auch Machtverhältnisse zu verstehen.

Ihr Leben klingt wie ein Abenteuer-Film. Die Mutter von Thi Minh Nhat Nguyen (41) flüchtete auf einem Boot über mehrere Monate nach Deutschland. Die damals einjährige Tochter ließ sie in Saigon, Vietnam zurück. Durch Zufall fand ihre Oma sie, nahm sie zu sich. „Meine Oma managte das ganze Haus, in dem auch meine Onkels und Tanten lebten. Obwohl sie nicht lesen und schreiben konnte, war sie eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Wir waren recht wohlhabend“, erzählt sie. Als ihre Mutter sie mit 9 Jahren nach Deutschland holte, beschimpften sie die Jungs in der Schule als hässlich. Sie wehrte sich aber immer. „Einem dieser Jungs hab ich mal eine grüne Chili mitgebracht und gesagt es wäre eine asiatische Frucht. Er hatte dann ziemlich lange einen roten Kopf“, erzählt sie lachend. Ihr neues Leben in Deutschland war sehr traditionell, sie musste den Haushalt schmeißen, ihre Mutter kümmerte sich kaum um sie. Mit 16 kam sie kam in eine Pflegefamilie, für die sie viel arbeiten musste. Umso wichtiger war es ihr später unabhängig zu sein. „Ich war gut in der Schule, wollte eigentlich Kunst studieren. Aber wurde Friseurin, weil ich so gleich Geld verdienen konnte.“ Von Männern wird sie oft „blöd angemacht“, für eine „gekaufte Frau“ gehalten. „Die konfrontiere ich, das lasse ich mir nicht gefallen.“ Als Buddhistin weiß sie: „Meine Zufriedenheit kommt von meiner mentalen Einstellung zum Leben, nicht von den äußeren Umständen.“

„Typisch Frau. Ich habe französische Kulturwissenschaft und interkulturelle Kommunikation studiert. Wir waren 50. Davon drei oder vier Jungs“, erzählt Johanna Albrecht (39). Sie sei also den typischen Werdegang einer Frau gegangen. Bei der Wahl des Ausbildungsplatzes verhielten sich die Geschlechter noch heute sehr klassisch. Mechatroniker und Informatiker würden die Jungs, die Mädchen gingen ins Büro oder den Verkauf. Das weiß die Angestellte für Presse und Marketing der Regionaldirektion Rheinland-Pfalz-Saarland der Bundesagentur für Arbeit. „Ich arbeite im öffentlichen Dienst. In meinem Arbeitsumfeld erlebe ich viele starke Frauen. Viele meiner Chefs sind Frauen. Von meinem Arbeitgeber werden Frauen sehr gefördert. Ich erlebe von vielen Männern eine hohe Wertschätzung.“ Und privat sei auch alles bestens: „Mein Mann putzt sogar freiwillig die Toilette. Wir denken beide füreinander mit. Für Haushalt und Familie sind wir beide verantwortlich. Gerade ist mein Mann mit den Kindern in der Elternzeit zuhause und ich gehe ins Büro.“ Als Thema beschäftige sie die Gleichberechtigung, weil sie es für ein strukturelles Problem hält. Obwohl beide Geschlechter formal in fast allen Bereichen gleichberechtigt seien. Allerdings falle ihr im Alltag schon auf, dass manche Männer Frauen nicht so zuhören wie anderen Männern. Frauen würden öfter unterbrochen.

„Ich würde mir wünschen, dass Männer ihre Ängste abgelegen, vor Frauen, die sich durchsetzen, die ein eigenständiges Leben führen“, sagt Anna Feldt (47). Sie ist Soziarbeiterin, Leitet das Alt-Saarbrücker Kinder und Jugendhaus der Falken. Die Mehrheit der jungen Mädchen dort beschäftigen sich nicht mit dem Thema Gleichberechtigung. „Dabei kommt dieses Thema unterschwellig bei sämtlichen Problemen der Mädchen zum Vorschein“, erzählt sie. „Ein Beispiel von vielen ist ein 15-jähriges Mädchen in unserer Gruppe, die sich in ihrer Lebensgestaltung völlig nach ihrem neuen Freund richtet. Sie tut alles, um ihm zu gefallen.“ Ein nicht seltenes weibliches Verhalten, findet sie. Schon die Scham junger Mädchen sich mit dem „unten rum“ auseinanderzusetzen im Vergleich zu dem Stolz, den viele Jungs schon früh für ihr Geschlechtsteil zeigen, ist ein Teil dieser Verhaltensmuster. „Auch ich selbst habe unbewusst das sehr traditionelle Rollenbild meiner Mutter in meinen ersten Beziehungen wiederholt. Es hat wirklich gedauert, bis ich Anfang 30 war, die Suche nach dem ‚von einem Mann gebraucht werden‘ abzulegen. Ganz alleine zu wohnen, glücklich mit mir selbst zu sein.“ Das hat auch damit zu tun, woraus man sein Selbstwertgefühl zieht. Heute verstärken soziale Medien, Werbung und das Verhalten der Männer, dass junge Mädchen sich hauptsächlich über ihr Äußeres definieren.

Sie hat nicht nur die „Warmen Nächte“in der Saarbrücker Garage erfunden. Sie ist quasi „die Warme Nacht“ in Person. Irene Portugall (65) ist die Vorsitzende des Lesben- und Schwulenverbandes, Landesverband Saar (LSVD Saar) . Schon 1976 in der Schulzeit hat sie mit einem schwulen Freund den Kommunikationskreis Homosexualität Saar gegründet. „Wir haben die Flyer heimlich im Keller bei einem Freund gedruckt und zunächst in der Madame verteilt.“ Ihr Vater, der Polizist war, hat einmal sogar eine Pistole gezogen, als sie spät nachts heim kam und gedroht „diese ganzen schwulen Freunde umzubringen.“ Sie blieb standhaft, bis auch er sie irgendwann akzeptierte, wie sie ist. Das dauerte aber. In der Schule wurde sie oft angefeindet, hat drei Suizidversuche hinter sich. „Es gab aber immer einzelne Lehrerinnen, starke Frauen, die mir geholfen haben. An der Marienschule wurde ich dann sogar von den ganzen Mädels zur Schulsprecherin gewählt .“ Studiert hat sie auch, obwohl ihre Mutter das „übertrieben“ fand. Sie ist dann viel und weit gereist, hat Dokumentarfilme gedreht, die weltweit ausgezeichnet wurden. Und immer das Leben ihrer Wahl gelebt. Es macht sie traurig, dass noch immer das Vorurteil der „Kampflesbe“ vorherrscht. Vielleicht auch Ausdruck einer Angst vor starken Frauen. Zu Männern hatte sie immer ein gutes, freundschaftliches Verhältnis.

„Hast du das ganz alleine gemacht?“, wurde sie nach einem erfolgreich abgeschlossenen Entwicklungsprojekt auf der Arbeit gefragt ,„das würde doch einen Mann in meiner Position niemand fragen.“ Julia Masloh (34) ist Softwareentwicklerin. Sie hat bereits in internationalen Projekten, Start-Ups und diversen Agenturen gearbeitet. „Mich zu trauen zu sagen ‚Hallo ich bin Entwicklerin und ich habs drauf‘, musste ich mir erst antrainieren.“ Sie fragt sich auch wo ihre Kommillitoninnen „hinverschwunden sind“, denn fast alle, die im „Entwicklerbereich“ arbeiten sind männlich. Ihr Staatsexamen und den zusätzlichen Masterabschluss hat sie sich selbst finanziert, in Saarbrücker Kneipen gejobbt. Dort und auch auf der Straße hat sie schon oft alle Formen von Sexismus bis hin zu gewaltätigen Übergriffen erlebt. „Daneben ist vor allem, was passiert, wenn du dich wehrst gegen dumme Sprüche und für Gleichberechtigung eintrittst. Dann wirst du dargestellt als wärst du hysterisch oder frigide.“ Je weniger man die aktuellen Rollenbilder kritisch reflektiert, umso weniger erkennt man Sexismus im Alltag. “Exklusion betrifft ja nicht nur die Frage nach dem Geschlecht und die nach der Sichtbarkeit von Frauen. Gerade im Tech-Bereich ist da definitiv Luft nach oben.“ Ist es kein Kompliment, wenn dir jemand hinterherpfeift? „Natürlich nicht. Ich bin doch kein Hund.“

Hannelore Purzer (63) ist wohl eine der „gefährlichsten“ Frauen im Saarland. Mit ein paar wenigen Kicks könnte sie so manchen Mann in die Knie zwingen. Denn sie ist Taekwondo Großmeisterin. Mit dem 5. Dan eine der höchstgraduiertesten Frauen in Europa. Der körperliche Kampf ist aber noch lange nicht der einzige, den sie kämpfen musste: „Als ich 1989 mit dem Taekwondo angefangen habe, gab es zwar schon Frauen im Training. Aber Trainerinnen gab es damals kaum. Das hat sich sehr verändert. Und dafür mussten die Frauen im Taekwondo auch kämpfen“, erzählt sie. „Ich habe oft die Erfahrung gemacht, dass die asiatischen Trainer Frauen nicht denselben Stellenwert geben wie den Männern. Wenn männliche Schüler sich bei ihnen einbringen, eigene Ideen zu verschiedene Techniken äußerten, nahmen diese das ernst. Frauen mussten da eher ‚kuschen‘. Europäische Trainer achten viel mehr auf Gleichberechtigung.“ Zum Taekwondo gekommen, ist sie durch ihren Mann. „Uns beiden war es immer wichtig, dass ich meinen eigenen Stil entwickle. Deshalb hatte auch jeder von uns seinen eigenen Trainer.“ Seit 1998 betreibt sie mit ihrem Mann zusammen das Taekwondo Center Saarland in Saarbrücken. „Ich war ein eher zurückhaltendes bayerisches Mädel. Durch das Taekwondo bin ich nicht nur physisch stärker geworden, sondern vor allem auch mental.“

Fast 400 000 Follower auf Instagram und mehrere Kooperationen mit Nahrungsmittel- und Sportkleider-Firmen. Eva Tassone (38) aus Quierschied kann als erfolgreiche Influencerin bezeichnet werden. „Ich hab mich schon immer gerne mit den typischen Frauenthemen wie Mode, Make-Up und Dekoration beschäftig“, erzählt sie. Mit Vorurteilen, sie sei oberflächlich, hatte sie schon öfter zu tun. Das nehme sie sich dann einfach nicht zu Herzen. „Klar weiß ich, dass solche Bilder, die oft mit Filter gemacht sind, junge Mädchen beeinflussen könnten. Ich hab aber eigentlich eine ältere Zielgruppe.“ In der Instagram-Community habe sie auch schon mitbekommen, wie Kolleginnen anzügliche Nachrichten von Männern bekommen haben. Manche bekämen öfter mal „Penis-Bilder“ geschickt. „Die scheinen Instagram, dann mit einer Partnerbörse zu verwechseln.“ Dabei sei das ja vielmehr eine Plattform auf der sie Tipps an andere Frauen weitergeben wolle. Tipps zu Ernährung, zu Sport, zu Kleidung: „Die meisten Frauen gehen ja gerne shoppen.“ Mit dem Thema Gleichberechtigung habe sie sich auch schon auseinandergesetzt. „Die Frauenquote ist schon wichtig, damit es mehr Frauen in Führungspositionen gibt.“ In ihrer Ehe fühlt sie sich aber „total gleichberechtigt“: Privat ist sie auch mal ungeschminkt unterwegs.

"Das wesentliche Problem mit der Gleichberechtigung in Deutschland sehe ich darin, dass sich viel zu oft die Frau entscheiden muss: Kinder oder Karriere.“ sagt Stephanie Böcker, Leiterin Onboarding im CISPA, und Mutter. In Skandinavien gehe beides. Da gäbe es eine super organisierte Kinderbetreuung. "Wenn ich Angela Merkel wäre, würde ich es machen: Ganztagsschulen für alle und überall.", sagt die 55jährige. In Skandinavien hätten sie dort viel Geld reingepumpt. Bei uns bliebe es meistens an den Müttern hängen, wenn das Kind Bogenschießen, Ballett oder Flöte lernen will. „In Deutschland stehst Du schnell auf dem Abstellgleis, wenn Du Teilzeit arbeitest. Da kriegst Du keine spannenden Projekte. Bei meinem Arbeitgeber kannst du aber auch Chef sein, wenn du Teilzeit arbeitest.“ Irgendwann sei ihr klar geworden, dass mit der Karriere sei für sie viel, viel schwerer als für ihren Mann.
Sie glaube nicht daran, dass sich die Gesellschaft ändert, weil wir die Sprache ändern. „Ich würde die ganze Energie, die in das Gendern der Sprache fließt lieber in das Verändern der Gesellschaft stecken.“ Mit ihr ändere sich dann auch die Sprache. „Wir brauchen eine super Kinderbetreuung. Das ermögliche es Frauen Karriere zu machen und nicht das Verwenden von Sternchen oder großen I’s."

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