Finanzkrise erfasst immer mehr Länder

Brüssel/Straßburg. Während Europa wie gebannt nach Athen und Rom starrt, zieht die Finanzkrise immer weitere Kreise. An den Märkten häufen sich Signale, die zwar noch nicht auf eine neue Stufe der Krise hinweisen, aber doch als besorgniserregend gelten

Brüssel/Straßburg. Während Europa wie gebannt nach Athen und Rom starrt, zieht die Finanzkrise immer weitere Kreise. An den Märkten häufen sich Signale, die zwar noch nicht auf eine neue Stufe der Krise hinweisen, aber doch als besorgniserregend gelten.Gestern kletterten die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen des nach wie vor regierungslosen Belgien erstmals auf mehr als fünf Prozent. Der geschäftsführende Ministerpräsident Yves Leterme sprach von einer "sehr, sehr schwierigen Lage". Bei sieben Prozent ist normalerweise die Marke erreicht, wo der Griff zum Euro-Rettungsschirm unvermeidlich wird.

Doch es sind nicht einmal die tatsächlichen Zahlen, die die Politik beunruhigen, sondern der Trend. Zunehmend geraten auch die Staaten im Kern der Euro-Zone unter Druck. Österreich liegt zwar noch weit von der Sieben-Prozent-Schallgrenze entfernt, leidet aber unter dem stetigen Ansteigen der Zuschläge. Das Gleiche gilt für die Niederlande, Finnland und Frankreich. Während Deutschland mit 0,29 Prozent am Dienstag einen historischen Tiefstand verzeichnete.

Im EU-Parlament bemühte sich die EU-Spitze gestern, alle Bedenken der Investoren zu zerstreuen. Die Ausarbeitung der Beschlüsse der letzten Sondergipfel von EU und Euro-Raum stehe vor dem Abschluss. EFSF-Chef Klaus Regling, Herr über die 440 Milliarden Euro des Rettungsschirms, will sich schon in den nächsten Tagen festlegen, auf welchem Weg seine Rücklagen bis zu eine Billion Euro an Wirkung entfalten können.

"Ich bin guter Hoffnung, dass wir bis Ende November Klarheit haben", sagte Euro-Zonen-Vorsitzender Jean-Claude Juncker in Straßburg. Bis dahin werde auch die nächste Tranche über acht Milliarden Euro an Griechenland beschlossen. Es gebe Signale aus Athen, dass der dortige neue Regierungschef Lucas Papademos in Kürze die geforderte schriftliche Zusage abgeben werde, dass Griechenland die Reformen unwiderruflich in Kraft setze. Gleiches werde auch Italiens neuer Ministerpräsident Mario Monti tun.

Dennoch wird bereits wieder gestritten. In der Straßburger Volksvertretung gingen Kommissionschef José Manuel Barroso und der ständige EU-Ratspräsident, Herman Van Rompuy, auf Distanz zu der Forderung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Vertragsänderungen. "Wir müssen zwar weitergehen und nicht nur die Sünder bestrafen", sagte Van Rompuy. Aber eine stärkere wirtschaftliche Zusammenarbeit bedeute auch die "Teilung der Souveränität für alle Mitgliedstaaten".

Barroso sagte, "Vertragsänderungen brauchen Zeit und sollten nicht als unmittelbare Lösung für unsere aktuelle Krise betrachtet werden." Im Übrigen sei es "ein wenig übertrieben", die Diskussion um Vertragsänderungen als Beitrag zu einem "Europa der zwei Geschwindigkeiten" zu verstehen. Van Rompuy: "Es ist völlig normal, wenn Länder mit einer gemeinsamen Währung auch gemeinsame Entscheidungen treffen."

Krach ist auch bei einem weiteren Thema absehbar. Der Kommissionspräsident kündigte an, er werde in der nächsten Woche einen Vorschlag zur Einführung von Euro-Bonds vorlegen. Deutschland und Frankreich hatten mehrfach deutlich gemacht, dass sie solche Papiere, die zu einer höheren Belastung für beide Länder führten, nicht mittragen würden.

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