Musikfestspiele Saar Morgens Demo, abends Festspielkonzert

Saarbrücken · Die Musikfestspiele Saar entdecken den Klimaprotest: Nach der Freitagsdemo sollen die Schüler am 24. Mai zum Open Air strömen.

 Chor und Orchester der Saarbrücker Musikhochschule posieren schon mal nahe der Ludwigskirche, wo sie am 24. Mai auftreten werden.

Chor und Orchester der Saarbrücker Musikhochschule posieren schon mal nahe der Ludwigskirche, wo sie am 24. Mai auftreten werden.

Foto: Thomas Wolter/HfM/Thomas Wolter

Manchmal passt es eben: Als das Dreigestirn der neuen Musikfestspiele Saar – Eva Karolina Behr, Karin Maria Piening und Bernhard Leonardy – voriges Jahr das Programm für sein „New Generation“-Festival, das Ende April startet, festzurrte, stand eine gewisse Greta Thunberg noch allein vorm Schwedischen Parlament in Stockholm und hielt tapfer ihr „Skolstrejk för klimatet“-Plakat hoch. Mittlerweile folgen weltweit Massen Gretas Vorbild. Tausende Schüler gehen für entschiedenen Klimaschutz auch im Saarland immer wieder freitags auf die Straßen. Und die Politik bewegt sich. In nur wenigen Monaten wurde Geschichte gemacht.

Bloß, was hat das mit den Saar- Musikfestspielen zu tun? Erst mal war es wohl glücklicher Zufall, dass man just auf einen Freitag, den 24. Mai nämlich, eines der größten Konzerte der Festspiele gelegt hat. Dann wird vor der Saarbrücker Ludwigskirche Felix Mendelssohns „Lobgesang“ aufgeführt. Schon der Form nach außerordentliche Musik, ein formatsprengendes Hybrid aus Sinfonie und Kantate. Man braucht großes Orchester, großen Chor und noch Solisten. Unter 200 Mitwirkenden muss man gar nicht erst anfangen. Und thematisch? Ist der „Lobgesang“ eine einzige mit Bibelzitaten durchwirkte Eloge auf die Schöpfung, eine Hymne auch auf die Natur: eben das, was die „Fridays for Future“-Bewegung schützen will.

Ein Schelm, wer nun dabei nicht an Verbindendes denkt. Und bei den Musikfestspielen frohlockte man angesichts all der jungen Menschen plötzlich auf den Straßen, erspähte quasi Publikum in spe, sagt Bernhard Leonardy. Also suchte man Kontakt zur hiesigen „Fridays“-Bewegung. Und die ließ sich nicht lange bitten. „Wir können schließlich mehr als nur demonstrieren“, meint „Fridays“-Aktivistin Susanne Speicher. Doch fürchtet sie da nicht Vereinnahmung? „Wir wissen sehr genau, wofür wir stehen“, entgegnet sie: Und Natur und Kultur, das harmoniere doch sehr gut.

Sicher ist jedenfalls: Die Schüler und Studenten, die am 24. Mai fürs Klima demonstrieren, kommen mit günstigen Sonderkarten zu acht Euro ins Konzert. Wobei der komplette Erlös aus diesen Tickets dazu verwandt werden soll, erläutert Leonardy, wieder Turmfalken in der Ludwigskirche heimisch zu machen. Zurück mit der Natur in die Stadt also.

Überdies hat sich das Festival seit seiner Neupositionierung auch dezidiert dem jüngeren Publikum verschrieben. Die „alte“ Klassik soll eben auch den Jungen munden. „Der Festivaltitel ,New Generation’ ist Programm“, sagt Piening. Und was eignete sich dazu besser als ein so grundpositives Werk wie der „Lobgesang“? Noch dazu, wo auch Chor, Orchester und Solisten zur jungen Garde zählen; alle kommen von der Hochschule für Musik Saar (HfM).  „Wir freuen uns, dass wir dabei sind“, sagt HfM-Rektor Wolfgang Mayer. Der sich auch höchst angetan zeigt von den Freitagsdemos und deren Verbindung nun mit der Kultur.  „Es wäre ja eine Schande, wenn die Bewegung alleine bliebe“, so Mayer. Der erinnert sich noch, wie er in den 70ern noch völlig unprofessoral als wilder Band-Musiker den Protestsong „Plastic bag people“ schrieb. Hätte heute glatt das Zeug zur Demo-Hymne.

Doch nicht genug damit. Der hoffentlich frühsommerliche Konzert-Abend Ende Mai vor der Ludwigskirche soll gar zu einem Open-Air-Happening werden. Die Künstler Lydia Kaminski und Philipp Neumann wollen die Fassade der Ludwigskirche als Projektionsfläche für Lichtinstallationen im Takt des Konzerts nutzen. „Bilder der Natur in ihrer ganzen Schönheit“, annonciert Kaminski und eine Melange aus Stop Motion, Film und Scherenschnitt. Parallel werden in der Hochschule der Bildenden Künste am Ludwigsplatz Bilder aus dem Schweizer Skizzenbuch von Mendelssohn gezeigt. Und vorab soll die Groovin’ High Group rund um den IT-Unternehmer August-Wilhelm Scheer die erhofften über 1000 Besucher in Stimmung bringen. Jazz und Klassik, Zeichnungen und Lichtkunst  – und das alles plus Message: Da wird dann wirklich für jeden was geboten.

Und so sind auch die Musikfestspielmacher mit ihrer Schöpfung, dem „New Generation“-Festival, höchst zufrieden. Der Vorverkauf laufe gut, sagt Karin Maria Piening. Einzelne Konzerte wie jenes mit Geigenstar Julia Fischer sind bereits ausverkauft. Ihr neues Konzept kommt also an. Insofern ist es auch eher unwahrscheinlich, dass sich das Team noch mit einem Vorschlag für das neue Saar-Festival bewerben wird, das Kulturminister Ulrich Commerçon (SPD) etablieren will (wir berichteten). Noch habe man sich nicht entschieden, ob man den Hut in den Ring werfe, sagt Leonardy, „aber wir stehen für anspruchsvolle Musik und nicht für irgendwas zwischen Film und Mode“. Ganz klar: Die neuen Musikfestspiele Saar haben ihren Weg gefunden.

  In Mendelssohns „Lobgesang“ klingen die Botschaften etwas weniger plakativ als bei den Freitagsdemos (hier in Neunkirchen).

In Mendelssohns „Lobgesang“ klingen die Botschaften etwas weniger plakativ als bei den Freitagsdemos (hier in Neunkirchen).

Foto: Michael Kipp
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