FBI: Regierung in Pjöngjang steckt hinter der Hacker-Attacke auf Filmkonzern Sony

Saarbrücken · Bisher war es nur naheliegende Spekulation, jetzt sind sich die USA sicher: Die Regierung in Pjöngjang ist verantwortlich für die Hacker-Attacke auf den Filmkonzern Sony wegen der Satire „The Interview“. Mit der „Einschüchterung“ bewege sich Nordkorea „außerhalb der Grenzen des akzeptablen Verhaltens von Staaten“, teilte die Bundespolizei FBI mit. Pjöngjang weist die Vorwürfe zurück.

Vermutet hat es jeder, jetzt scheint es sicher. Die USA hat Nordkorea direkt für den Hackerangriff auf Sony Pictures verantwortlich gemacht. Es gebe genügend Informationen für diesen Rückschluss, teilte die Bundespolizei FBI am Freitag in Washington mit. Bei der Cyber-Attacke waren im November flächendeckend die Computersysteme von Sony Pictures angegriffen und Daten gestohlen worden (siehe Chronik unten). Es hätten sich Verbindungen zu anderen Schadprogrammen herausgestellt, die nach FBI-Erkenntnissen kürzlich in Nordkorea entwickelt worden seien. "Wir sind zutiefst besorgt über die destruktive Natur dieser Attacke auf eine Einrichtung im privaten Sektor", erklärte das FBI . Die mit dem Angriff verbundene Erpressung mache diesen Schritt Nordkoreas besonders inakzeptabel. Pjöngjang weist die Vorwürfe zurück.

Sony hatte zuvor seine Satire "The Interview" komplett aus dem Programm genommen (wir haben berichtet). In der Komödie werden zwei US-Journalisten, die einen Pressetermin mit Nordkoreas Machthaber Kim Jong Un haben, vom CIA angeworben, den Diktator bei diesem Interview zu töten. An Weihnachten sollte die Komödie, die die US-Branchenbibel "Variety" in ihrer Kritik ungefähr so lustig findet "wie kommunistische Lebensmittelknappheit", in den USA starten; der Hacker-Angriff und Drohungen (siehe Chronik unten) lassen den Film nun vorerst im Giftschrank verschwinden.

Der Fall ist von höchster Tragweite: Per Computer ist ein Weltkonzern in die Knie gezwungen worden. Und der Apparat eines Konzerns, der sich schon wegen der Filmpiraterie gegen Internet-Angriffe wappnen muss, erscheint hier überraschend angreifbar. Was bedeutet das für die Computersysteme von FBI , CIA oder der Regierung?

Hollywood scheint derweil in eine Schockstarre verfallen zu sein: Bei einem Nordkorea-Thriller von Gore Verbinsky ("Fluch der Karibik") hat sich der Verleih zurückgezogen, das Projekt ist geplatzt. Und einer, der die Reihen Hollywoods angesichts des Drucks auf Sony schließen wollte, ist grandios gescheitert: George Clooney. Er sprach in den Chef-Etagen der großen Studios vor, aber seinen schlichten Appell, dass alle Filmemacher zusammenstehen sollten, wollte niemand unterschreiben - aus Angst, das nächste Opfer zu werden. Aber einige Filmemacher äußerten ihr Unverständnis per Twitter : Schauspieler Ben Stiller: "Kaum zu glauben, dass das die Reaktion ist auf eine Bedrohung der Meinungsfreiheit." Regisseur Michael Moore wünscht sich von den Hackern, die "jetzt Hollwood regieren", bitte "weniger romantische Komödien und keine ‚Transformers'-Filme mehr".

Clooneys Petition unterschrieben hätte möglicherweise Paulo Coelho , wäre er denn US-Studiochef. Der brasilianische Schriftsteller hat Sony 100 000 Dollar dafür geboten, dass er "The Interview" auf seiner Internetseite zeigen darf, kostenlos für alle Zuschauer. Zuvor hatte er Nordkoreas Beteiligung an der Attacke bezweifelt, was er jetzt vielleicht überdenken wird.

Derweil ist Sony nicht das einzige Studio, das einen Film zurückzieht. Die Produzenten der 2004er Satire "Team America: World Police" wollten ihren Film wieder in einigen US-Kinos zeigen, um ein Zeichen zu setzen gegen den Rückzug von "The Interview". Auch "Team America" beschäftigt sich mit Nordkorea und lässt Machthaber Kim Jong Il (Kim Jong Uns Vater) eine Allianz mit Hollywoods liberaler Schauspiel-Elite schmieden, um Amerika ins Verderben zu stürzen. Der satirische (und sehr komische) Puppenfilm, der auch Amerikas Weltpolizei-Gebaren veralbert und die Taliban gleich mit, lief vor zehn Jahren ohne größere Proteste. Die US-Wiederaufführung kommt jetzt nicht zustande: Das verantwortliche Studio Paramount gibt den Film ohne Angabe von Gründen nicht heraus. Die Selbstzensur geht weiter - Nordkorea hat ein weiteres Mal gewonnen. Am 24. November erscheint laut US-Branchenmagazin "Deadline" auf den PC-Bildschirmen der Sony-Mitarbeiter eine mysteriöse Botschaft, dass man die Daten des Konzern gehackt habe und dass dies "nur der Anfang" sei. Am 27. November landen einige neue Sony-Kinofilme illegal im Internet , darunter "Herz aus Stahl" mit Brad Pitt , der 1,2 Millionen Mal heruntergeladen wird. Sony schaltet das FBI ein. Dass eine nordkoreanische Internetseite den Film "The Interview" einen "bösen Akt der Provokation" nennt, nährt Spekulationen, dass die Attacke aus Pjönjang kommt. Das Regime leugnet eine Beteiligung, spricht aber von einer "rechtschaffenen Tat".

Stars- und Managergehälter, Budgets und persönliche Daten von Mitarbeitern sowie vertrauliche Korrespondenzen aus der Sony-Führungsriege werden im Internet veröffentlicht, mit peinlichen Folgen vor allem für Sony-Chefin Amy Pascal. In einer E-Mail nennt sie Angelina Jolie eine "verzogene, minimal talentierte Göre", in anderen Mails spekuliert sie über die Lieblingsfilme von Barack Obama und nennt nur Filme mit Rassen-Thematik. Später entschuldigt sie sich - die Mails seien "keine akkurate Wiedergabe meiner Persönlichkeit".

Am 14. Dezember stellen die Hacker eine frühe Drehbuch-Version des kommenden James-Bond-Films "Spectre" ins Netz. Zwei Tage später drohen sie per E-Mail mit Anschlägen auf Kinos, die "The Interview" ab Weihnachten zeigen wollen; viele Kinos wollen das nicht riskieren. Sony zieht "The Interview" deshalb zurück und verkündet gleichzeitig: "Wir stehen zu unseren Filmemachern und zu ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung und sind sehr enttäuscht."

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