Sicherer Schulstart? Den Schülern bleibt nur Lüften

Neunkirchen · Ab dem 31. Mai herrscht im Landkreis Neunkirchen wieder Präsenzunterricht. Sicherer ist es in den Schulen nicht unbedingt geworden.

 Luftfilter gibt es in den Klassenräumen im Umland kaum: Als einziger Landkreis im Saarland hat Neunkirchen keine Geräte für die weiterführenden Schulen in seiner Trägerschaft angeschafft – trotz Förderung durch das Saar-Innenministerium.

Luftfilter gibt es in den Klassenräumen im Umland kaum: Als einziger Landkreis im Saarland hat Neunkirchen keine Geräte für die weiterführenden Schulen in seiner Trägerschaft angeschafft – trotz Förderung durch das Saar-Innenministerium.

Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Ab Montag dürfen die Kinder und Jugendlichen im Saarland wieder in die Schule. Besser gesagt: Sie müssen – denn laut Beschluss des Saar-Ministerrats kehren Grundschulen und weiterführende Schulen ab 31. Mai wieder zum Präsenzunterricht zurück.

Eine Entscheidung, die nicht überall auf Gegenliebe stieß. Landesweit für Aufsehen sorgte diese Woche ein Brandbrief von Eltern vier verschiedener Schulen (darunter die Max-von-der-Grün-Gemeinschaftsschule Merchweiler und das Illtal-Gymnasium Illingen) an Bildungsministerin Christine Streichert-Clivot (SPD). Bemängelt wurde, dass die Abstandsregel in den Klassenräumen außer Kraft gesetzt sei und Selbsttests nur zweimal in der Woche stattfänden, während beispielsweise im Handel und der Gastronomie tägliche Tests Pflicht sind. Auf Lehrerseite kritisierten mehrere Verbände die Weisung der Landesregierung scharf. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) plädierte dafür, die Schüler erst dann alle wieder in die Klassen zu schicken, wenn die Inzidenz stabil unter 50 liegt, wie es auch das Robert-Koch-Institut empfiehlt. Diesen Wert hat das Saarland am vergangenen Donnerstag erstmals seit Monaten wieder unterschritten – wobei die Zahlen wegen der Pfingstfeiertage, an denen weniger getestet wurde, aktuell immer noch wenig Aussagekraft haben.

Landrat Sören Meng (SPD) zeigte sich dagegen Anfang der Woche erfreut über die Schulöffnungen – sie seien ein wichtiger Schritt Richtung Normalität. Etwas differenzierter sieht es Schulleiter Michael Klepper von der Gemeinschaftsschule Neunkirchen Stadtmitte. „Ich denke, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist, nachdem die Infektionszahlen zurückgegangen sind.“ Er fügt aber hinzu: „Allerdings wäre mir wohler, wenn zumindest alle Erwachsenen, am besten auch alle Kinder und Jugendlichen in der Schule schon geimpft wären.“

Das könne wegen der Impfstoffknappheit noch eine Weile dauern. Um das Infektionsrisiko in den Klassenräumen zu senken, fördert das saarländische Innenministerium aber bereits seit Februar die Anschaffung von Luftfilteranlagen in Schulen und Kitas. Dafür wurden Mittel in Höhe von vier Millionen Euro bereit gestellt, welche die Träger formlos beantragen können. Dreieinhalb Monate später sind von dieser Summe allerdings laut Auskunft des Ministeriums erst 1 588 000 Euro – also deutlich weniger als die Hälfte – abgerufen worden.

Hakt man nach, zeigt sich: Die meisten saarländischen Kommunen haben als Träger der Grundschulen und Kitas überhaupt keine Luftfilter beantragt – darunter auch fast alle Neunkircher Kommunen. Die Begründungen sind überall ähnlich. So weist die Stadt Neunkirchen auf die hohen Hürden für die Förderung hin. „Eine der Rahmenbedingungen der Förderung der Geräte ist, dass sie in Räumen zum Einsatz kommen, die schlecht zu lüften sind“, erklärt Stadtpressesprecher Deniz Alavanda. Dies sei bei den Grundschulen und Kitas in der Kreisstadt nicht der Fall, weshalb keine Geräte beantragt wurden. In Ottweiler wurden aus dem gleichen Grund keine Geräte angeschafft, teilte die Stadt der SZ auf Nachfrage mit. Für die beiden Grundschulen in der Trägerschaft der Gemeinde Merchweiler gab es keine Filter – hier seien schon vor der Krise die vorhandenden Fenster „unter großem finanziellen Aufwand“ saniert worden. Eine Förderung kam daher nicht in Frage, allerdings habe die Gemeinde für alle Klassensäle CO2-Melder angeschafft. „Diese wurden auch vom Innenministerium mit einem Betrag von pauschal 100 Euro pro Gerät gefördert“, erklärte eine Sprecherin der Gemeinde. Solche Instrumente schlagen Alarm, wenn die Luftqualität abnimmt und es wieder Zeit zum Lüften ist. Ähnlich verfährt die Gemeinde Spiesen-Elversberg mit dem Einsatz von „hochwertigen CO2-Ampeln“ anstelle von Filtern.

Die Gemeinde Illingen hat auf die Anfrage der SZ bis Redaktionsschluss nicht reagiert. Einzig die Gemeinden Schiffweiler und Eppelborn haben auf die Förderung der Luftfilter zurückgegriffen. Insgesamt 30 Geräte wurden für die drei Schiffweiler Grundschulen angeschafft, Eppelborn hat insgesamt 34 Geräte erhalten.

Die saarländischen Landkreise, welche Träger der weiterführenden Schulen sind, haben ebenfalls kaum auf das Angebot des Innenministeriums zurückgegriffen. Neunkirchen ist allerdings der einzige Kreis, der keinen einzigen beantragt hat. Die Wartung der Geräte sei kostenintensiv, teilte Sprecherin Jasmin Alt mit, zudem seien sie im Betrieb relativ laut. Der Kreis bezweifelt zudem den wissenschaftlichen Nutzen, der „nicht unumstritten“ sei. „Bei fehlerhafter Anwendung werden durch Verwirbelungen der Aerosole im Klassenzimmer eventuell sogar gegenteilige Effekte befürchtet“, gibt Alt zu bedenken. Stattdessen habe der Kreis über das Förderprogramm des Innenministeriums rund 100 000 Euro für CO2-Messgeräte abgerufen, um alle rund 1000 Klassenräume damit auszustatten. Dazu wurden etwa 250 000 FFP2-Masken und über 4 000 Liter Handdesinfektionsmittel an die Schulen – Grundschulen inklusive – im Kreis verteilt.

Ob die Maßnahmen wirken, wird sich ab nächster Woche zeigen. Im Mai habe es Alt zufolge im Kreis Neunkirchen immerhin keine Infektionsfälle und Quarantänen an Schulen und Kitas gegeben.

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