Experten: Aussicht auf neue Geldflut verstärkt den Abwärtstrend des Euro

Frankfurt · Der Euro fällt und fällt. Inzwischen hat er den tiefsten Stand seit mehr als vier Jahren erreicht. Trotzdem verfolgt die Europäische Zentralbank weiter eine Politik des billigen Geldes.

Seit dem Sommer kennt der Kurs des Euro nur eine Richtung: nach unten. Fast vergessen scheinen die Zeiten, als die europäische Gemeinschaftswährung an der Marke von 1,40 Dollar kratzte. Das war erst im Mai vergangenen Jahres. Nun, knapp acht Monate später, liegt der Eurokurs gerade noch über der Marke von 1,20 Dollar - ein Minus von etwa 14 Prozent und der tiefste Stand seit viereinhalb Jahren. Aber damit nicht genug: Manche Experten rechnen in den kommenden Monaten mit einem noch niedrigeren Kurs. Eine der stärksten Triebfedern für die Talfahrt des Euro ist die Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Jüngste Aussagen von EZB-Chef Mario Draghi haben bei Experten die letzten Zweifel zerstreut, dass die Notenbank schon bald mit dem umstrittenen Kauf von Staatsanleihen beginnen wird. "Die Zeichen verdichten sich, dass die EZB schon im Januar beschließen wird, im großen Stil Staatsanleihen zu kaufen," sagte Ökonom Ralph Solveen von der Commerzbank .

Die größte Sorge der europäischen Währungshüter und Hauptgrund für das Öffnen der Geldschleusen ist die zu niedrige Inflation im Währungsraum. Sie dürfte auch in den kommenden Jahren unter dem anvisierten Ziel der EZB liegen, die stabile Preise bei einer Inflationsrate von mittelfristig knapp zwei Prozent als gewährleistet ansieht.

Weiterhin nur Mini-Zinsen

Vor allem der massive Einbruch der Ölpreise spielt den Befürwortern einer Politik des billigen Geldes, den sogenannten Tauben, in die Hände. Seit dem Sommer sind die Ölpreise um etwa die Hälfte eingebrochen. Die Folge: Zur Jahreswende wird erstmals seit 2009 wieder mit sinkenden Verbraucherpreisen in der Eurozone gerechnet. "Die Tauben im EZB-Rat werden die Preisdaten als Argument für weitere expansive Maßnahmen anführen", sagte Experte Solveen.

In einem aktuellen Interview des "Handelsblatts" hat EZB-Chef Draghi noch einmal die Bereitschaft der Währungshüter zum Handeln bekräftigt: "Wenn die Inflation lange zu niedrig bleibt, kann es geschehen, dass die Leute auf weiter sinkende Preise setzen und ihre Ausgaben einfach verschieben", warnte Draghi. "Wir müssen gegen dieses Risiko angehen."

Sparer in der Eurozone werden daher noch lange mit Mini-Zinsen leben müssen. "Die Zinsen sind seit langem sehr, sehr niedrig - und das wird wahrscheinlich noch eine Zeit so bleiben", versicherte EZB-Chef Draghi. Die Geldpolitik in den USA läuft dagegen in eine völlig andere Richtung. Nachdem die US-Notenbank im Herbst ihre Anleihekäufe beendet hatte, wird Mitte des Jahres mit der ersten Zinserhöhung seit der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise gerechnet.

Neben der Geldpolitik sorgt die unterschiedliche konjunkturelle Entwicklung in den USA und der Eurozone für einen stärkeren Dollar und einen schwächeren Euro . Während die US-Wirtschaft auf Hochtouren läuft und sich die Lage auf dem amerikanischen Arbeitsmarkt stark verbessert, hinkt der Euroraum der Entwicklung hinterher.

Immerhin hat der schwache Euro auch Vorteile: Er nützt vielen Unternehmen im gemeinsamen Währungsraum. Wenn der Euro an Wert verliert, können Exportfirmen ihre Waren außerhalb der Eurozone günstiger anbieten. Sie verfügen damit über einen wesentlichen Vorteil im internationalen Konkurrenzkampf.

Meinung:
Gefährliche Geldflut

Von SZ-RedakteurVolker Meyer zu Tittingdorf

Die niedrige Inflation birgt kaum Gefahren, die Geldflut dagegen umso mehr. Die gefürchtete deflationäre Abwärtsspirale von fallenden Preisen, Konsumverzicht und fehlenden Firmeninvestitionen ist nicht in Sicht. Die geringe Teuerung liegt am Sondereffekt fallender Ölpreise. Der ist bald vorbei. Die Politik des billigen Geldes, die auf dem Höhepunkt der Krise half, den Euro zu retten, wird dagegen zu einer echten Gefahr. Die EZB stützt die Problemländer zu sehr. Dadurch fehlt der nötige Druck auf Reformverweigerer wie Italien und Frankreich. Obendrein droht ein Währungsstreit mit den USA. Denn dort wird man nicht ewig zuschauen, wie der Euro zum Schaden der eigenen Wirtschaft fällt. EZB-Präsident Draghi sollte erkennen, dass eine Geldflut die ökonomischen Nöte der Euro-Zone nicht lösen kann. Das müssen die Euro-Staaten selbst tun.

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