Sperrklausel bei EU-Wahl 2019 kommt Exoten haben in Europa keine Chance mehr

BRÜSSEL Bei der nächsten Europawahl dürfte es in Deutschland wieder eine Sperrklausel geben, die kleine Parteien und Einzelkandidaten am Einzug in die Volksvertretung hindert. Nach Informationen unserer Zeitung haben Belgien und Spanien ihren Widerstand gegen die Wiedereinführung einer Mindesthürde aufgegeben. Der Kompromiss sieht eine Sperrklausel von zwei bis fünf Prozent der Stimmen vor.

 Der Satiriker Martin Sonneborn verzichtet im Parlament weitgehend darauf, Politik zu gestalten.

Der Satiriker Martin Sonneborn verzichtet im Parlament weitgehend darauf, Politik zu gestalten.

Foto: picture alliance / dpa/Patrick Seeger

Vor allem Deutschland hatte darauf gedrängt, dass die EU vor der Wahl im Mai 2019 ein neues  Wahlrecht bekommt. Das Bundesverfassungsgericht hatte im Februar 2014 die Sperrklausel von drei Prozent gekippt, die der Bundestag zuvor beschlossen hatte. In der Folge zogen bei der Europawahl wenige Monate später etliche Kandidaten ins Parlament ein, die als Einzelkämpfer praktisch keinen Einfluss entfalten können. Der Satiriker und Ex-„Titanic“-Chefredakteur Martin Sonneborn, der 0,6 Prozent der Stimmen bekommen hatte, zählt dazu ebenso wie der Rechtsextreme Udo Voigt, der für die NPD 1,0 Prozent holte. Aus Deutschland zogen zudem Kandidaten der Freien Wähler, der Tierschutzpartei, der Familienpartei, der Piraten sowie der ÖDP ein, die mit einer Sperrklausel chancenlos geblieben wären.

Die Zeit drängt: Die Mitgliedstaaten müssen sich bis zum 26. Mai einigen und das Wahlrecht beschließen. Andernfalls könnte es rechtlich anfechtbar sein. Daher haben die Regierungen der EU-Staaten entschieden, den Kompromiss in einem schriftlichen Umlaufverfahren zu fassen. Als kritisch galten zuletzt Belgien, das sich nun enthalten will, sowie Spanien, dem zugesichert wurde, die neue Regelung erst 2024 anwenden zu müssen. Noch ist die Reform des Wahlrechts aber nicht perfekt. Der Kompromiss hängt jetzt von Italien ab, wo es noch „technische Schwierigkeiten“ gibt, wie es in Brüssel heißt: Da das Land seit den Wahlen im März noch keine geschäftsfähige Regierung hat, soll ein zuständiger Ausschuss im Parlament seine Zustimmung geben.

Klar ist: Eine europäische Regelung des Europawahlrechts würde das Bundesverfassungsgericht akzeptieren. Das hatten die Karlsruher Richter bei ihrem Urteil 2014  ausdrücklich festgestellt.

Unter dem Strich betrifft die Frage einer Sperrklausel bei Europawahlen nur Deutschland und Spanien. In kleineren EU-Staaten gibt es nämlich faktisch eine Hürde für kleine Parteien. Malta, Zypern und Luxemburg haben als kleinste EU-Länder derzeit sechs Abgeordnete im EU-Parlament, da bedarf es eines deutlich höheren Anteils als fünf Prozent an Wählerstimmen, um ein Mandat zu erringen. Auch bei Belgien mit 21 Abgeordneten gibt es in der Praxis eine Hürde für Kleinstparteien. Und etliche größere Mitgliedstaaten, wo eine Sperrklausel faktische Folgen hätte, wie etwa Frankreich und Italien, haben bereits Sperrklauseln bei Europawahlen. Da bleiben nur noch Spanien, das derzeit 53 Abgeordnete nach Brüssel und Straßburg schickt, sowie Deutschland mit 96 Sitzen im EU-Parlament.

Daniel Caspary (CDU), der die deutschen Unionsabgeordneten im Europaparlament führt, begrüßt den Durchbruch: „Wir sehen eine zunehmende Zersplitterung des Europaparlaments. Es gibt immer mehr Fraktionen, außerdem steigt die Zahl von fraktionslosen und damit weniger wirkungsvollen Abgeordneten immer mehr.“

Wie hoch die Sperrklausel letztlich in Deutschland ausfällt, ist dann Sache des Gesetzgebers. Wie in Berlin zu hören ist, haben sich die Regierungsfraktionen noch nicht auf eine genaue Zahl verständigt.

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