Evangelische Zeitansage

Meinung · Evangelische Kirchentage waren schon immer eine Mischung aus Pfadfinderlager, Pilgerreise, Musikfestival, Meditation und Folklore. So wird es auch diesmal in Bremen sein. Von heute an bis zum Sonntag werden dort fröhliche Lieder aus frohem Herzen gesungen, Liebes- und Friedensbotschaften verkündet, Gefühle in stiller oder lauter Andacht und im Gebet offenbart

Evangelische Kirchentage waren schon immer eine Mischung aus Pfadfinderlager, Pilgerreise, Musikfestival, Meditation und Folklore. So wird es auch diesmal in Bremen sein. Von heute an bis zum Sonntag werden dort fröhliche Lieder aus frohem Herzen gesungen, Liebes- und Friedensbotschaften verkündet, Gefühle in stiller oder lauter Andacht und im Gebet offenbart. Mystisches und Sinnliches wird fühlbar. Kirchentage waren für hunderttausende evangelischer (und auch katholischer) Christen stets ein Ort des Dialogs und der Debatte, der Spiritualität und Frömmigkeit, der Einkehr. Und die Evangelischen Kirchentage setzten zu allen Zeiten deutlich hörbare Signale, die über kurz oder lang das Denken und Handeln der politischen und wirtschaftlichen Kräfte in der Republik deutlich verändert haben. Der größte evangelische Laientreff versteht sich immer als "Zeitansage" und als mahnende, teils grollende Stimme an das Hier und Heute. Bei der 32. Auflage wird das nicht anders sein. Christen stellen sich in mehreren hundert Veranstaltungen den großen Fragen der gegenwärtigen Welt: Wirtschafts-Imperialismus und soziale Armut, Krieg und Frieden, Globalisierung und Zerstörung von Natur und Umwelt bis hin zur Internet-Kultur. Vor allem die Diskussionen und Aktionen zu dem Komplex "Neoliberalismus, Weltwirtschaftskrise, Globalisierung und Kapitalismus" dürften spannend werden.Die Losung des Kirchentages, "Mensch, wo bist du?", stammt aus dem Alten Testament. Das dritte Kapitel des ersten Buch Mose berichtet vom Sündenfall und der Vertreibung von Adam und Eva, nach Gottes Anweisung, aus dem Paradies. Der berühmte Sündenfall wiederholt sich in unserer Zeit doch mit Kapitalsucht, Werteverfall und Unmoral täglich einmal mehr. Hinzu kommt eine drastische Veränderung gegenüber dem, was das Leben - das höchste Gut Gottes - auf diesem Planeten lebenswert macht: das gemeinsame Miteinander von Menschen, Tieren und Pflanzen. Dieses Zusammenspiel zerfällt, der Mensch pfuscht dem Schöpfer jeden Tag ins Handwerk. Wie lange noch? Kirchentage wollen immer der Gesellschaft ihren Spiegel vorhalten. Wollen ein Seismograph der politischen und sozialen Stimmung sein. Sie sind dazu da, deutlich Positionen zu beziehen. Von Bremen müssen wieder Signale an die Mächtigen aus Wirtschaft und Politik ausgehen: Gerechtigkeit statt Armut, Arbeit statt Erwerbslosigkeit, Frieden statt Krieg, Bücher statt Inhaltsleere, Bibel statt Börse, Wissen statt Waffen, Kreativität statt Computer. Und: Stille statt künstlicher Hektik und Hatz.

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