Euro-Krise als Wegscheide für die "alte Welt"

Washington. Amerikanische Experten sind sich einig. Aus ihrer Sicht stellt die Euro-Krise die Gemeinschaft vor die Wahl: Platzt der europäische Traum - oder strebt die EU nun nach einer vertieften Integration? Ginge es nach dem streitbaren John Bolton, dürfte der Euro ruhig scheitern

Washington. Amerikanische Experten sind sich einig. Aus ihrer Sicht stellt die Euro-Krise die Gemeinschaft vor die Wahl: Platzt der europäische Traum - oder strebt die EU nun nach einer vertieften Integration? Ginge es nach dem streitbaren John Bolton, dürfte der Euro ruhig scheitern. Die Gemeinschaftswährung sei "schon immer mehr ein politisches Projekt" gewesen, meint der ehemalige UN-Botschafter von George W. Bush. Der Liebling der rechtspopulistischen Teaparty-Anhänger sieht im Euro vor allem den Versuch, eine Alternative zum Dollar als Welt-Reservewährung zu schaffen. "Uns steht es frei, ihn scheitern zu lassen", sagt Bolton provozierend.Damit formuliert er zwar eine Minderheiten-Meinung in den USA. Doch in der Analyse geben ihm viele Experten Recht. Den Euro lediglich als gemeinsame Währung zu betrachten, geht aus ihrer Sicht an der Realität vorbei. Ein Vertagen der bestehenden Probleme sei die Suche nach Lösungen, die den Eindruck vermitteln, als ginge es ohne politische Grundsatz-Entscheidungen. Eben diese Haltung aber sehen US-Ökonomen ganz unterschiedlicher Schulen im derzeitigen Krisen-Management der "alten Welt". Mit der aufgeschobenen Neustrukturierung der Schulden Griechenlands, Irlands, Portugals, Spaniens und absehbar auch Italiens auf das Jahr 2013 wurschtelt sich Europa aus ihrer Sicht einfach nur durch. Bis dahin diene der zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds aufgespannte Rettungsschirm dazu, das Problem zu verdecken.

Der Harvard-Ökonom Kenneth Rogoff hält jenseits eines gigantischen Wachstumsschubs in der Europäischen Union eine "Welle von Schuldabschreibungen" für unumgänglich. Rogoff weiß, wovon er spricht: Seine Studie über den Verlauf von Finanzkrisen, die er mit seiner Kollegin Carmen Reinhart vorlegte, sorgte im zurückliegenden Jahr für einiges Aufsehen. "Während sich die europäischen Führer von einer Stufe der Verleugnung zur nächsten bewegen, ist vielleicht die Zeit gekommen, die Dinge realistischer zu betrachten", sagt Rogoff. Bundeskanzlerin Angela Merkel habe Recht, wenn sie als eine der wenigen ausspreche, dass Europa ein Problem habe.

Dem Star-Ökonomen Nouriel Roubini von der Stern School of Business in New York geht dies nicht weit genug. Das beim jüngsten EU-Gipfel durchgesetzte Rezept der Kanzlerin, mit den Umschuldungen bis 2013 zu warten, trage nicht zum Aufbau neuen Vertrauens in den Euro bei. Roubini fordert "marktbasierte Umschuldungen bereits 2011". Und der Volkswirt Barry Eichgreen von der kalifornischen University of Berkeley hält eine erfolgreiche Rettung des Euro nur dann für möglich, wenn die Mitglieder der Gemeinschaft enger zusammenrücken. Voraussetzung für eine erfolgreiche Neustrukturierung der Schulden sei eine eng koordinierte Bankenpolitik, die dafür sorgt, dass die Institute über ausreichend Kapital verfügen. Nur so ließen sich die notwendigen Verluste abschreiben "ohne das Finanzsystem zu destabilisieren", mahnt Eichgreen.

Aus Sicht der Euro-Sympathisanten in den USA stellt sich vordringlich die Frage, ob die Europäer wirklich den Willen zu mehr Integration aufbringen. "Die europäischen Führer beschwören oft, dass sie alles tun, um den Euro zu retten, weil der europäische Traum daran hängt", schrieb jüngst die "Washington Post" in ihrem Leitartikel. "Die Zeit, dass sie ihren Worten Taten folgen lassen müssen, nähert sich mit großen Schritten."

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