EU warnt: Energie wird zu teuer

Brüssel · EU-Kommissar Günther Oettinger befürchtet eine Explosion der Energiepreise. Er warnt vor den Folgen der hohen Kosten für die Wirtschaft und die Verbraucher und appelliert an die Staats- und Regierungschefs gegenzusteuern.

Wir schreiben das Jahr 2050. Die EU-Staaten haben konsequent den Ausbau der erneuerbaren Energien betrieben. Ihr Anteil liegt bei 49 Prozent. Doch die Rechnung dafür fällt bitter aus. Im Vergleich zum Jahr 2010 haben sich die Energiepreise verdoppelt. Die Wirtschaft stöhnt massiv unter den gewaltigen Kosten, die sie schultern muss. Sozial schwächere Bürger können sich Strom und Heizung nur noch leisten, weil die Regierungen zusätzliches Geld bewilligt haben, das für öffentliche Investitionen fehlt. - Das Szenario stammt aus einem Papier der EU-Kommission von Anfang 2012. Getan hat sich bisher nichts. Deshalb verschärft Brüssel nun seine Warnungen vor den Entwicklungen auf dem Energiemarkt.

"Für manche Branchen sind schon heute Energiekosten weitaus wichtiger als Arbeitskosten", sagt Brüssels zuständiger Kommissar Günther Oettinger. Am Freitag mobilisierte er die Öffentlichkeit: "Die Gaspreise in Deutschland sind schon heute drei- bis vier Mal so hoch wie in den USA. Für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und europäischen Industrie ist das eine bedenkliche Entwicklung."

Wenn die Staats- und Regierungschefs der EU am kommenden Mittwoch in Brüssel zu ihrem nächsten Gipfel zusammentreffen und über die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit aller Mitgliedstaaten reden, sollen sie die Energiepreise im Auge behalten. "Sie sind ein entscheidender Faktor für die Wirtschaftskraft der Länder", hieß es aus dem Umfeld der Kommission.

Trotz Liberalisierung klaffen die Preise für Strom, Gas, Kohle und Atomenergie in der EU weit auseinander. Während die Dänen 2012 fast 30 Cent pro Kilowattstunde zahlten, wurden die Bulgaren mit gerade Mal acht Cent zur Kasse gebeten. Deutschland lag mit knapp 27 Cent auf Platz zwei - deutlich vor allen anderen großen Industriestaaten. Und mit dem zweithöchsten Steuersatz. Oettinger: "In der Bundesrepublik sind mittlerweile 52 Prozent des Strompreises für den Endverbraucher staatlich induzierte Steuern und Abgaben." Wenn diese Entwicklung anhält, fressen die Energiekosten die wirtschaftlichen Zuwachsraten weitgehend auf. Mit dramatischen Folgen: "Europa wird energieintensive Unternehmen schrittweise verlieren", prognostiziert die Kommission.

Zumal die Alternativen interessant sind: Im Vergleich zu den USA liegen in der EU die Preise beispielsweise für Gas um bis zu einem guten Drittel höher. Notwendig sei deshalb die volle Liberalisierung des Marktes, also mehr Wettbewerb. Im Kommissariat Oettingers verweist man dazu auf die Gaspreise. Überall dort, wo sich in der EU Konkurrenz etabliert hat, sind die Kosten deutlich geringer als in den Ländern, wo Monopolisten die Versorgung beherrschen. So kostet eine Megawattstunde Gas in Deutschland nach Angaben der Statistikbehörde Eurostat derzeit 24,5 Euro, in Frankreich 28,9 Euro, Italien zahlt 34,6 Euro und Griechenland sogar 43,3 Euro. "Wir müssen den Binnenmarkt vorantreiben und die Energieeffizienz erhöhen", heißt es im Konzept Brüssels.

Dazu zählt auch der Verzicht auf Insel-Lösungen, bei der Mitgliedstaaten ohne Rücksicht auf die europäische Infrastruktur nur ihren eigenen Bedarf im Auge haben. "Notwendig ist deshalb auch ein Leitungsnetz, das die nationalen Märkte verbindet", sagt Oettinger. Die rechtlichen Grundlagen dazu hat die Kommission längst beschlossen: Projekte von großer europäischer Bedeutung sollen künftig binnen dreieinhalb Jahren alle notwendigen Genehmigungen haben, um den Bau zu starten. Am Mittwoch sind die EU-Chefs gefordert.

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