EU gibt sich gelassen angesichts neuer Brexit-Wirren Briten müssen erst mal abwarten und Tee trinken

Angesichts der neuen Brexit-Wirren in London gibt sich die EU gelassen. Die Entscheidung über die Bitte um Verschiebung fällt erst in einigen Tagen.

  Will erst mal über die Lage beraten: EU-Ratspräsident Tusk.

Will erst mal über die Lage beraten: EU-Ratspräsident Tusk.

Foto: dpa/Thierry Roge

Brüssel So richtig hat es niemanden überrascht, dass die Hängepartie um den Brexit auch nach dem zuvor zum Tag der Entscheidung im britischen Unterhaus hochstilisierten Samstag weitergeht. Noch am Donnerstag hatte ein hochrangiger EU-Diplomat deutlich gemacht, wie unberechenbar man in Brüssel Zusagen aus London einschätzt. Auf die Frage eines Journalisten, wie lange man für die Ratifizierung des neuen Deals einplanen müsse, hatte der EU-Diplomat gesagt: „Da gehen die Ansagen aus London durcheinander. Anfangs hieß es sechs Monate, dann war von sechs Wochen die Rede. Nun hört man, es könne binnen ein paar Tagen klappen.“

Als am Sonntag die EU-Botschafter in Brüssel zusammenkamen, war das Treffen schon nach 15 Minuten wieder beendet. Man nehme das Schreiben aus London mit der Bitte um erneute Verlängerung zur Kenntnis. EU-Ratspräsident Donald Tusk, der die Treffen der Staats- und Regierungschefs moderiert, sagte, er werde über die neue Lage mit den Chefs der EU-27 beraten. Die Botschafter haben bei ihrem kurzen Treffen am Sonntag, bei dem auch EU-Chefunterhändler Michel Barnier dabei war, den Ratifizierungsprozess des neuen Deals auf EU-Seite besprochen. Auch im Parlament bereitet man sich darauf vor, am Donnerstag über den Austrittsvertrag und die politische Erklärung abzustimmen, an denen es unmittelbar vor dem Gipfel vor wenigen Tagen noch einmal gravierende Änderungen gab.

Die Botschaft, die Brüssel an London senden will, ist eindeutig: Der Ball liegt im britischen Spielfeld. Und: Die EU lässt sich nicht in das Brexit-Chaos in London hineinziehen. Mit keinem Wort wurde kommentiert, dass der britische Premier Boris Johnson das Schreiben, mit dem er Tusk um Verlängerung bittet, nicht unterschrieben hat. Brüssel will nun den weiteren Gang der Ereignisse in London beobachten und dann im Lichte der weiteren Abstimmungen im britischen Unterhaus entscheiden. Kaum jemand bezweifelt, wie die Entscheidung ausfallen wird. Beim Gipfel hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zwar noch eine weitere Verlängerung ausgeschlossen. „Großbritannien tritt auf jeden Fall am 31. Oktober aus.“ Damit hatte er vermutlich den Druck auf das britische Unterhaus erhöhen wollen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der bereits beim Sondergipfel im März nur widerwillig einer Verlängerung zugestimmt hatte, ließ noch Samstagabend wissen, dass er gegen noch mehr Zeit für die Briten ist. Macron hatte am Samstag mit Johnson telefoniert und anschließend mitteilen lassen: „Eine Verzögerung wäre nicht im Interesse von irgendjemandem.“

Wenn tatsächlich der ungeregelte Brexit immer wahrscheinlicher wird, dürfte sich auch die Regierung in Paris umbesinnen. Angesichts der Schäden, die ein ungeregelter Austritt für Exporteure und produzierendes Gewerbe bedeutet, wird die EU der 27 am Ende den Briten Aufschub gewähren. „Wenn eine Verlängerung um ein paar Wochen nötig ist, hätte ich damit kein Problem“, sagte bereits der deutsche Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

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