Es lebe die Demut

Saarbrücken. Sie ist der Kontrapunkt zu "Madame Bovary". Félicité, das Dienstmädchen, dem der französische Autor Gustave Flaubert (1821-1880) , seine Erzählung "Ein schlichtes Herz" widmet, hadert nicht mit ihrem Los, das ihr nur einen engen Spielraum im Leben zugewiesen hat

Saarbrücken. Sie ist der Kontrapunkt zu "Madame Bovary". Félicité, das Dienstmädchen, dem der französische Autor Gustave Flaubert (1821-1880) , seine Erzählung "Ein schlichtes Herz" widmet, hadert nicht mit ihrem Los, das ihr nur einen engen Spielraum im Leben zugewiesen hat. Wenn Holger Schröder (Dramaturgie) und Christoph Diem (Regie) die Geschichte dieser Frau, für die Selbstverwirklichung und Autonomie ferne Asteroiden sind, ausgerechnet am Vorabend des Internationalen Frauentages als Premiere in der Sparte4 ansetzen, entbehrt das nicht der Pikanterie. Was kann uns diese Félicité, die Anfang des 19. Jahrhunderts für 100 Francs monatlich rund um die Uhr der unsympathischen Madame Aubain zu Diensten ist, heute lehren? Demut, wie neben Größenwahn das Spielzeitmotto des Saarländischen Staatstheaters heißt? Selbst auf der Bühne hat diese Glückliche, so die Bedeutung ihres Namens, nicht viel zu sagen. Fast regungslos sitzt Gertrud Kohl als Félicité die ganze Zeit über auf ihrem Stuhl. Nie zeigte Kohl beeindruckendere Präsenz. Eine müde, würdige Greisin, mit einem fast übernatürlichen Glanz in den Augen, die hin und wieder Einwürfe auf Französisch macht, die Hände aus dem Schoß erhebt, wenn Erinnerungen lebendig werden und sie nicht selten zum Kichern bringen. Während Saskia Petzold daneben umso lebhafter das Erzählen ihres Lebens übernimmt. Zwischen Empathie und Distanzierung wechselnd, manchmal kreischend, gleitet sie in die Rollen der wenigen Personen, mit denen die Magd Kontakt hat. Nur vermeintlich aber drehte sich dieses Leben im eintönigen Gleichmaß wie das Riesenrad, das als Projektion über die mit goldenen und braunen Erinnerungs-Bilderrahmen gefüllte Rückwand läuft. Nur vermeintlich eng ist ihr Horizont, den ein im Raum hängendes Fenster mit Ausblick auf ein grünes Tal im Wechsel der Jahreszeiten bildlich macht. War Félicités einzige Liebesgeschichte auch kurz, so fand sie in der mütterlichen Hingabe an Neffen und Herrschaftskinder doch reines Glück, fähig zu unbegrenzter Liebe und dazu in kleinen Dingen die Weite der Welt zu spüren. Ein schlichter Verstand, der über einen ausgestopften Papagei den Heiligen Geist erfährt. Dass wir uns das Leben unbedingt als ein erfülltes vorstellen müssen, verdanken wir Flaubert, zwei starken Darstellerinnen und einer überzeugenden Inszenierung. sbu Wieder am 7., 11., 18., 19., 25. 3.; Karten unter (0681) 30 92 486.

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