„Es ist die Wahrheit, die wehtut, nicht die Person Haneke“

Wie verschieden Menschen mit dem Tod umgehen, zeigt Alex Trejo im mittellangen Film „Das Gedicht“. Poetisch und objektiv zugleich – hat Trejo doch Regie bei Michael Haneke studiert. Warum Hanekes Urteil richtig sei, auch wenn es nicht stimme, verriet er SZ-Redakteurin Sophia Schülke.

 Rolltreppe aufwärts: Alex Trejo im Cinestar. Foto: OLiver Dietze

Rolltreppe aufwärts: Alex Trejo im Cinestar. Foto: OLiver Dietze

Foto: OLiver Dietze

Ein kleiner Junge verliert seinen Vater: Warum haben Sie sich dieses harte Thema gewählt?

Alex Trejo: Ich habe mich in meinen Filmen immer intensiv mit Abschied, Tod und Vergänglichkeit auseinandergesetzt. Es war mir wichtig, die Geschichte aus der Position eines naiven Kindes zu erzählen. Stirbt jemand, hat man immer das Gefühl, das man als Kind hatte. Durch Todesfälle in meiner Familie hatte ich sehr früh damit zu tun. Verlustangst und die Vergänglichkeit des kindlichen Geborgenheitsgefühls haben sich mir eingeprägt.

Hilft es Ihnen, sich filmisch mit dem Tod auseinanderzusetzen?

Trejo: Nein. Der Film bringt mir da gar nichts. Der Umgang mit Tod und Leben sind Prozesse, bei denen man nie auf ein Ergebnis kommt. Ich hoffe, dass der Film anderen einen Impuls zur Auseinandersetzung gibt. Ich aber werde nie eine klare Position zur Vergänglichkeit haben, es wird immer schmerzen. Wenn sich Menschen fest an ihren Glauben klammern, ist das ok, aber nur eine Methode. Trotzdem ist man der Vergänglichkeit ausgeliefert.

Die Filmakademie Wien hat erfolgreiche Filmschaffende hervorgebracht. Wie ist die Atmosphäre an der Akademie - herrscht Gründerzeitstimmung oder Routine?

Trejo: Allgemein kann ich das nicht sagen. Es herrscht, das mag mein persönlicher Eindruck sein, bei vielen Studenten eine skeptische und vorsichtige Stimmung. Keiner hat das Gefühl, wir hätten wegen Oscar- und Palme d'Or-Gewinnen von Michael Haneke und Ulrich Seidl selbst etwas Großartiges hervorgebracht. Wir kämpfen damit, wie andere auch, dass Mittel fehlen, Erzählformen stagnieren und keiner weiß, was letztlich mit uns passieren wird. Unter den Regiestudenten herrschen starker Zusammenhalt und unterschwelliger Neid.

Was meinen Sie mit "unterschwelligem Neid"?

Trejo: Der Vorteil an einer Filmakademie ist ja der Austausch mit anderen Studenten. Wenn man die Wahrheit gesagt bekommt. Weil man aber der direkten Konfrontation mit den Kollegen oft aus dem Weg geht, bekommt das Urteil von Haneke zu häufig die Allgemeingültigkeit. Unter den Studenten bricht dann eine Hysterie aus, wenn berichtet wird, dass Haneke von einem Seminarfilm begeistert war. Für wessen Film das nicht zutrifft, der hat dann das Gefühl, sich besser gleich eingraben zu können.

Was ist das Wichtigste, das Sie bei Haneke gelernt haben?

Trejo: Dass man aufhören muss, ein Haneke sein zu wollen. Das meine ich in Bezug auf alle Filmemacher, die man zum Vorbild hat. Reproduzieren ist das Einfachste. Wichtiger ist, mutig etwas Individuelles zu machen und weiterzuentwickeln, auch wenn es erst nicht gefällt. Handwerklich habe ich bei ihm ungemein viel gelernt: Schauspielführung, Präzision und Verantwortung - weil der Film ein unheimliches Machtinstrument ist. Aber das ist sehr schwer unter ihm.

Was genau ist so schwer?

Trejo: Was er vermittelt. Er ist kein Pädagoge, der einen behutsam an der Hand nimmt. Das Gute und das Schlechte ist, dass er seine Studenten genau wie andere Filmemacher behandelt. Aber vielen stößt es auch auf.

Gibt er vernichtende Kritiken?

Trejo: Nein, er ist nur ehrlich. Es ist die Wahrheit, die wehtut, nicht die Person Haneke. Wenn er sagt, ein Film sei fürchterlicher Kitsch, ist man geschockt, weil man es für das Maximum der Poesie hält. Aber das ist guter Schmerz, man muss lernen wollen, damit umzugehen. Nicht alles, was er sagt, stimmt immer. Aber man weiß, man muss hinterfragen, was man gemacht hat.

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