gesund leben Zu viel Zucker setzt Eiweiße in unserem Körper außer Gefecht

Saarbrücken · Möglicherweise markiert unser Immunsystem defekte Proteine vor der Vernichtung mit Zucker. Doch einseitige Ernährung führt zu „Zuckerplaques“.

 Bei hohem Zuckerkonsum heften sich Zuckermoleküle (rot) an Eiweiße (blau) in unserem Körper an. Es entstehen verzuckerte Proteine (rechts). Werden zu viele Eiweiße verzuckert, ballen sie sich zusammen und können sich in Gefäßwänden und im Gehirn ablagern. Das führt zu Entzündungen.

Bei hohem Zuckerkonsum heften sich Zuckermoleküle (rot) an Eiweiße (blau) in unserem Körper an. Es entstehen verzuckerte Proteine (rechts). Werden zu viele Eiweiße verzuckert, ballen sie sich zusammen und können sich in Gefäßwänden und im Gehirn ablagern. Das führt zu Entzündungen.

Foto: SZ/nach einer Vorlage der American Association fpr Cancer Reserach

(ml) Forscher der Universität von Kalifornien in Los Angeles haben in Versuchen mit Ratten herausgefunden, dass Fruchtzucker im Trinkwasser die Lern- und Gedächtnisfunktionen beeinträchtigt. Die Fruktose veränderte offensichlich die Aktivität zahlreicher Gene im Gehirn. Die Menge an Frucktzucker, die den Tieren verabreicht wurde, entsprach einem Liter Limonade täglich bei einem Menschen.

Zu viel Zucker ist auch schlecht fürs menschliche Gehirn. Wissenschaftler der Universitätsklinik Charité in Berlin haben in einer Studie mit 142 älteren Probanden im Durchschnittsalter von 63 Jahren gezeigt, dass ein höherer Blutzuckerspiegel und mehr verzuckerte Eiweiße im Blut zu schlechteren Ergebnissen bei Lern- und Gedächtnistests führen. Die Teilnehmer waren keine Diabetker, ihre Zuckerwerte bewegten sich in dem Bereich, der als normal gilt. Doch je höher die Zuckerwerte im Normalbereich waren, desto schlechter schnitten die Teilnehmer bei den Tests ab.

Im Hirnscanner stellte sich heraus, dass mit steigendem Zuckerspiegel das Volumen und die Feinstruktur des Hippocampus abnahmen, derjenigen Hirnregion, die für Gedächtnis und Lernen wichtig ist. Die Autoren schreiben: „Daher könnten Strategien, die auf die Verringerung der Blutzuckerspiegel, selbst im normalen Bereich, abzielen, die Kognition der älteren Bevölkerung postiv beeinflussen.“

In der Berliner Studie ist von verzuckerten Proteinen die Rede. Zucker kann Eiweiße im Körper verkleben, sodass sie nicht mehr funktionieren. Eiweiße geben unserern Körperzellen nicht nur ihre Form und Festigkeit, sondern sind als Enzyme und Hormone auch für den Stoffwechsel wichtig. Verzuckerte Eiweiße nennt man AGEs (Advanced Glycation End Products – Endprodukte einer fortgeschrittenen Verzuckerung). Eine ganze Reihe von Wissenschaftlern sieht mittlerweile einen Zusammenhang zwischen einem Übermaß an verzuckerten Eiweißen und allerlei Alterskrankheiten, darunter auch Alzheimer.

Verzuckern können alle Körpereiweiße, auch der rote Blutfarbstoff Hämoglobin. „Hier lässt das gemessene Ausmaß der Verzuckerung Rückschlüsse darauf zu, wie gut der Blutzucker bei Diabetikern eingestellt ist“, schreiben die Ernährungswissenschaftlerin Ulrike Gonder und der Internist Dr. Peter Heilmeyer in ihrem Buch „Essen! Nicht! Vergessen! – Demenzrisiko einfach wegessen“ (Systemed-Verlag).

Auch Fettsäuren und die Nukleinsäuren der Erbsubstanz DNA sowie Insulin, das ein Eiweiß ist, können verzuckern. Verzuckertes Insulin büßt nicht nur seine Funktion ein, sondern kann auch zu einer Überreaktion der Immunzellen im Gehirn, der Mikroglia, und somit zu Entzündungen führen.

Die steigenden Fruchtzuckermengen in vielen Lebensmitteln sind ein Problem, weil Fruktose sich bei der Entstehung von AGEs besonders fatal auswirkt. Ihr Potenzial, Eiweiße im Körper zu verzuckern, ist zehnmal stärker als das von Glukose. Forscher vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge, USA, sind davon überzeugt, dass zu viele Kohlenhydrate, speziell Fruktose, die Eiweiße zerstören kann, die als Transporterproteine das Gehirn mit Fett und Cholesterin versorgen. Eine Mangel an Fetten erhöhe das Risiko für Demenz.

Im Alter verzuckern allerdings generell mehr Eiweiße im Körper. Damit befassen sich Wissenschaftler der Universitätsklinik Heidelberg. „Möglicherweise markiert der Körper veraltete Proteine mit einem Zucker. Dann lösen diese eine Entzündung aus, wodurch das Immunsystem aktiviert wird. Spezialisierte Immunzellen vernichten dann die AGEs“, erklärt der Stoffwechselexperte Professor Dr. Peter Nawroth.

Das Immunystem zu aktivieren, ist offensichlich die einzige Möglichkeit, die verzuckerten Eiweiße loszuwerden. Anscheinend gehört das zum körpereigenen Zellschutz. Denn überall im Körper wurden an Zellen spezielle Rezeptoren entdeckt, an die AGEs andocken können. Sobald das der Fall ist, werden Abwehr- und Entzündungsreaktionen ausgelöst und Immunzellen machen sich über die verzuckerten Proteine her.

Werden jedoch zu viele Proteine verzuckert, können sie sich zusammenballen und sind dann nicht mehr abbaubar. Sie können sich dann in Gefäßwänden und im Gehirn ablagern. Tatsächlich findet man bei Alzheimer-Patienten größere Mengen an AGEs.

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