Endlich mal Mahler!

Saarbrücken · Morgen bringt der Londoner Choreograf Mark Baldwin seine Arbeit „No Clouds in the Sky“ auf die Bühne der Saarbrücker Feuerwache. In London hätte er sich das nicht getraut, sagt er.

 Choreograf und Mahler-Fan Mark Baldwin. Foto: Simon Weir

Choreograf und Mahler-Fan Mark Baldwin. Foto: Simon Weir

Foto: Simon Weir

Die Londoner, sagt Mark Baldwin, mögen Tanzstücke nur, wenn sie kurz sind. Die Rambert Dance Company, seit zwölf Jahren unter seiner künstlerischen Leitung, produziert immer nur drei- bis vierteilige Abende. Kontrastreich sollen sie sein, jedes Stück von einem anderen Choreografen. Auch deshalb hat sich der Choreograf und Direktor so auf Saarbrücken gefreut. Endlich kann er mal, was er schon lange wollte: einen Gustav Mahler choreografieren.

Eine Stunde dauert die Vierte Sinfonie. Für das Londoner Publikum wäre das viel zu lang. Die Alternative, nur einen Ausschnitt, einen Satz der Sinfonie zu nehmen - das käme wiederum für den Choreografen nie in Frage. "Bei uns gibt es eine alte ethische Regel: Ein Musikstück, vor allem von einem toten Komponisten, darf man nur im Ganzen verwenden, nicht nur die Stücke herausnehmen, die man mag." Was Baldwin an Mahlers Vierter wiederum gerade mag, sind die jähen Wechsel von Stimmungen und Motiven. Damit habe Mahler die Idee der Jump Cuts im Film vorweggenommen, noch bevor es das Kino überhaupt gab. "Bei Mahler ist alles Sinfonie, auf Militärmusik folgt etwas Fröhliches, Unschuld, Traurigkeit Liebe und das Gegenteil davon", schwärmt Baldwin. Bilder über Bilder, die er in seiner Choreografie "No Clouds in the Sky" umsetzen will. "Aber nur nicht zu wörtlich", betont er. "Ich mache ja keine Lehrstunde, sondern Poesie".

Landschaften, Meereslandschaften verspricht der als Sohn eines Iren auf den Fidschi-Inseln geborene und in Neuseeland aufgewachsene Brite, der einen Bachelor-Abschluss in Bildender Kunst besitzt. Wer sie kennt, werde Gemälde von Caspar David Friedrich, Géricaults Floß der Medusa und Da Vincis Abendmahl wiederfinden. Und wer nicht - auch nicht schlimm. Der könne einfach genießen.

Die Rambert Dance Company, gegründet 1926 von Marie Rambert, ist die älteste Ballettgruppe der Insel, die sich von Anfang an dem zeitgenössischen Tanz verpflichtet fühlte. Und seit damals auf die Teamarbeit von Choreografen mit Komponisten, Designern und Malern setzt. Baldwin, der zum ersten Mal 1979 als Tänzer mit Rambert in Kontakt kam und als preisgekrönter Choreograf bisher über 40 Tanzstücke produzierte, arbeitet ebenso mit Weltmusikern wie den Ladysmith Black Mambazo zusammen wie auch mit Physikern des Teilchenbeschleuniger-Zentrums Cern. Auch Tanzfilme hat er schon gemacht. Auf der Bühne aber mag der Mittfünfziger weder Video noch Neue Medien. "Die Leute interessieren sich dann mehr für die Technologie als für die Tänzer." Und außerdem koste Technik viel zu viel Geld.

Premiere: Morgen 19.30 Uhr, Alte Feuerwache. In unserer Beilage "treff.region" haben wir irrtümlich eine öffentliche Probe angekündigt - diese Probe findet jedoch nicht statt. Tel. (06 81) 309 24 86.

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