Elf Flugstunden bis zum Wohlklang

Saarbrücken/Sapporo · Abenteuer Japan: Der Saarbrücker Dirigent Max Pommer hat sich mit beinahe 80 Jahren noch einmal bei einem Sinfonieorchester als Chef verpflichten lassen. Und das elf Flugstunden entfernt, im fernen Sapporo.

 So viel Musik in seinen Händen: Das Programm des Sapporo Symphony Orchestra setzt seinen neuen Chef, Max Pommer, groß in Szene. Foto: Sapporo Symphony Orchestra

So viel Musik in seinen Händen: Das Programm des Sapporo Symphony Orchestra setzt seinen neuen Chef, Max Pommer, groß in Szene. Foto: Sapporo Symphony Orchestra

Foto: Sapporo Symphony Orchestra

Man könnte es fast Vaterstolz nennen, was in diesem Lächeln mitschwingt. Wenn majestätisch die Posaunen zu Mendelssohns "Lobgesang" anheben, geschmeidig die Streicher folgen: Was für ein Wohlklang aus Fernost. Aus Fernost? Ja, Max Pommer hat ihn aus 10 000 Kilometern Entfernung in sein Saarbrücker Wohnzimmer mitgebracht. Auf CD: Es ist sein neues Orchester , das Sapporo Symphony Orchestra, mit seinem Antrittskonzert als Chefdirigent in der Zwei-Millionen-Metropole Nordjapans. "Es ist doch beachtlich, was man da erreichen kann", kommentiert der Dirigent die Aufnahme. Merkt aber gleich kritisch an, mit den Männerstimmen habe man noch Probleme. Schließlich war er über Jahre auch Dirigier-Professor, zunächst in Leipzig, dann bis 2005 an der Saarbrücker Musikhochschule. Lehrer und Dirigent, das sind aber gleich zwei Professionen in einer Person, die permanent rufen: Das geht noch besser.

Nippons Kritiker aber sind jetzt schon selig mit dem deutschen Chef. Er schaffe "einen großartigen und doch natürlichen Klang", jubelte ein Rezensent. Ein anderer hatte bei Pommers Dirigat gleich die Szenerie alter deutscher Städte vor Augen. In Japan wohl ein Mega-Kompliment, lieben Touristen aus Fernost bei uns doch alles, was Fachwerk oder Burgzinnen hat.

Die Mehrzahl von Pommers 85 Musikern in Sapporo nun sind Japaner und wurden auch in ihrer Heimat ausgebildet. Nach wie vor halte aber dieser "unstillbare Durst nach europäischer Musik" an, freut er sich. Und ihn, den hoch angesehenen Dirigenten , den Mitbegründer des Neuen Bachischen Collegium Musicum und einstigen Chef des Leipziger Rundfunkorchester, dessen Aufnahmen damals weit über die engen DDR-Grenzen hinausstrahlten, verehren sie geradezu. Der 2000 Zuschauern Raum bietende Konzertsaal in der Hauptstadt der Region Hokkaido sei stets gut gefüllt, sagt Pommer. Vor allem, wenn auch noch Gäste aus Europa angekündigt sind. In dieser Saison werden es Dirigent und Oboist Heinz Holliger, Geigerin Isabell Faust und Pianist Gerhard Oppitz sein, mit dem Pommer im Dezember Beethovens Klavierkonzert Nr. 4 aufführen wird.

"Die japanischen Musiker sind so begierig zu lernen, sie saugen geradezu auf, was man ihnen anbietet", sagt Pommer. Diese Begeisterung habe ihn auch bewogen, "ja" zu sagen, als man ihm das Orchester anbot. Mit 79 keine Selbstverständlichkeit. Heißt das doch mehrmals pro Jahr nach Japan jetten. Und dort in eine fremde Kultur eintauchen. Gleichwohl Pommer schon etliche Orchester in Asien dirigiert hat und vor seinem Dienstantritt im Norden Japans eifrig Japanisch büffelte. "Es gehört sich einfach, dass man mit den Musikern zumindest ein paar Worte in ihrer Muttersprache wechseln kann." All das wirkt auf ihn offenkundig wie ein Jungbrunnen. "Das ist ein spätes Glück für mich", meint er.

Beethoven, Bruckner, Schumann, Strauß ("Kaiser-Walzer" und Strauss ("Also sprach Zarathustra") will Pommer in seiner ersten Saison in Sapporo dirigieren. Dass er aber Mendelssohns "Lobgesang" wählte, um seine Visitenkarte abzugeben, war natürlich kein Zufall. Auch wenn Pommer seit fast einem Vierteljahrhundert gerne in Saarbrücken lebt, seine Vaterstadt bleibt Leipzig. Sein Urgroßvater, auch ein Max, prägte als Architekt und Baulöwe das Gesicht Leipzigs. Ehrensache für Max IV. mit einem "Leipziger" in Sapporo zu eröffnen. Und Mendelssohn war ja nicht nur Kapellmeister des Leipziger Gewandhausorchesters, seine 2. Sinfonie, der "Lobgesang", ist mit Chor, Solisten und Orchester ein Werk von ähnlicher Universalgeltung wie Beethovens Neunte.

Vergleichbares aus unserer Region wird Pommer nicht nach Japan exportieren können. Aber wer weiß, vielleicht schafft es ja in seiner dreijährigen Amtszeit mal eine Sinfonie des Saarbrückers Théodore Gouvy nach Sapporo - Gouvy ist übrigens in Leipzig gestorben, nur so als Hinweis.

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