„Eiserne Johanna“ aus Wien hat zu kämpfen gelernt

Brüssel/Wien · Wenn Europas Innenminister in Brüssel zu ihren Sitzungen vorfahren, kann es schon mal sein, dass diese Frau den männlichen Kollegen die Schau stiehlt: Johanna Mikl-Leitner, 52 Jahre alt, Österreichs Innenressortchefin und konservativer Gegenpol zum sozialdemokratischen Bundeskanzler Werner Faymann . Gemocht werde sie nicht, heißt es in Wien, gehasst aber von vielen.Ihr striktes Vorgehen gegen die Flüchtlinge, die sie in Zeltstädte pferchte, um die Bundesländer zu zwingen, Aufnahmemöglichkeiten zu schaffen, hat ihr viel Kritik eingebracht.

Die Initiative zur Konferenz der Balkanrouten-Anrainer, die zum Ende der Fluchtroute führte, isolierte sie in Europa. Die Griechen luden Mikl-Leitner kurz nach der Konferenz vor einem geplanten Athen-Besuch aus. Dass sie die Alpenrepublik zu einer "Festung" ausbaute, Grenzkontrollen auch an den Übergängen zu Deutschland wiederbelebte und am Jahresanfang die Initiatorin für die österreichische Obergrenze von höchsten 37 500 Asylbewerbern im Jahr war, brachte ihr den Spitznamen "Eiserne Johanna" ein.

Johanna Mikl wuchs mit einer Zwillingsschwester und zwei weiteren Geschwistern im niederösterreichischen Weinviertel unweit von Wien auf, wo die Eltern ein Kaufhaus betrieben. Nach dem Studium der Wirtschaftspädagogik trat sie in die konservative Österreichische Volkspartei (ÖVP) ein. Schnell stieg sie zur Landesgeschäftsführerin auf, saß im österreichischen Parlament. Nach einem Intermezzo bei den österreichischen Arbeiterkammern (Gewerkschaftsbund) holte Faymann sie in sein Koalitions-Kabinett. Das war 2011.

"Sie ist fleißig und will immer gut vorbereitet sein", sagen ihre Wegbegleiter über sie. Die Bundespolizei , deren Chefin sie ist, schätzt die menschlichen Qualitäten. "Mikl-Leitner hat einen Kollegen, der bei einem Unfall lebensgefährlich verletzt wurde, in der Reha besucht - ohne Kameras", erzählt man sich in Wien. Solche menschlichen Züge der verheirateten Mutter von zwei Töchtern (15 und zehn Jahre alt) kommen in vielen Beschreibungen zu kurz. Dass sie für ihr Leben gerne Inline-Skates fährt, wissen nur wenige. "Hanni", wie sie von Freunden genannt wird, hat nur noch wenig Zeit. "Schlaf wird eh überbewertet", sagte sie, nachdem sie den Stress der ersten Monate in ihrem Amt kennengelernt hatte. Als konservative Politikerin im roten Wien lernte sie, zu kämpfen. In Europa blieb sie lange unauffällig - spätestens in der Flüchtlingskrise hat sich das geändert. Wenn Mikl-Leitner mit ihrer etwas tonlosen Stimme ankündigt, dass Österreich vorerst weiter seine Grenzen kontrollieren will, zucken die Kollegen zusammen.

Emanzipiert habe sie sich, heißt es in Brüssel, sie sei aus dem Schatten auch der deutschen Minister herausgetreten. Auf dem eigensinnigen Kurs Wiens gegen die EU-Mehrheit ziehe sie Kanzler Faymann "regelrecht hinter sich her", sagen österreichische Medienvertreter. Das alles geschieht ohne Schärfe, aber mit aller Deutlichkeit. Als die EU-Innenminister jetzt in Brüssel tagten, war sie es, die angesichts des Flüchtlings-Deals mit der zunehmend autokratischen Türkei davor warnte, Europas Werte über Bord zu werfen.

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