Einzelkämpfer statt Einigkeit

Meinung · Ein Höhepunkt war dieser Gipfel nicht. Seit nunmehr zwei Jahren wiederholt die EU gebetsmühlenartig ihre sattsam bekannten Vorschläge, wie der Finanzmarkt reformiert und kontrolliert werden soll. Zu Taten ließ man sich nicht hinreißen, versteckt sich stattdessen nur allzu gern hinter der angeblich notwendigen globalen Abstimmung

Ein Höhepunkt war dieser Gipfel nicht. Seit nunmehr zwei Jahren wiederholt die EU gebetsmühlenartig ihre sattsam bekannten Vorschläge, wie der Finanzmarkt reformiert und kontrolliert werden soll. Zu Taten ließ man sich nicht hinreißen, versteckt sich stattdessen nur allzu gern hinter der angeblich notwendigen globalen Abstimmung. Die mag bei einer Finanztransaktionssteuer oder einer Bankenabgabe sinnvoll sein. Eigene Rating-Agenturen aber könnte man längst aufgebaut haben. Und auch beim Verbot von Leerverkäufen muss niemand auf Brasilien oder Kanada warten.Dass man sich gestern in letzter Minute auf eine Bankenabgabe verständigen konnte und die Verschärfung des Euro-Pakts angeht, ist zwar ein Lichtblick. Doch der Gesamteindruck eines Haufens zerstrittener Einzelkämpfer bleibt. Von den hehren Versprechen zu Beginn der Krise, weltweit gegen die unkontrollierte Macht der Finanzinstitutionen vorzugehen, ist wenig geblieben. Nach den Rettungsschirmen, die aller Kritik zum Trotz eben doch entschlossene Einigkeit demonstrierten, wäre eine gemeinsame Strategie die andere Seite der gleichen Medaille. Europa muss Konsequenzen ziehen. Es macht nicht länger Sinn, auf seinen Binnenmarkt stolz zu sein, ohne das wirtschaftliche Handeln wenigstens einigermaßen abzustimmen. Die nationalen Sparpakete sind zwar ausnahmslos ehrgeizig und wichtig, aber sie kranken alle an einem Punkt: Ohne gleichzeitige wirtschaftliche Umstrukturierung können die Staaten nur ihre Ausgaben senken, aber nicht die Einnahmen anheben. Genau das aber ist der Schlüssel für den Weg aus der Krise.Dabei ginge es natürlich um Kernfragen. Steuern müssten harmonisiert, protektionistische Hürden abgebaut, ökonomische Rahmendaten angeglichen werden. Eine "Wirtschaftsregierung" ist also durchaus sinnvoll, solange sie nicht zu einer neuen Form von Staatsdirigismus wird. Und selbstverständlich dürfen darin nicht nur die Euro-Staaten vertreten sein, weil die Gemeinschaftswährung auf das britische Pfund ebenso wirkt wie auf den ungarischen Forint. Ein solches Instrument, das lenkt, einwirkt und koordiniert, wäre ein Signal von herausragendem Gewicht für die Finanzmärkte. Weil Europa zeigen würde, dass es sich wirklich als Gemeinschaft versteht, die auch den Spekulanten trotzt. Es ist nicht zu spät, um einen solchen Akzent zu setzen. Aber wenn sich das Zögern dieses Gipfels fortsetzt, wenn am Ende sogar Spanien wirklich unter dem Rettungsschirm Zuflucht suchen muss, ist der Eindruck von Stabilität und Einigkeit kaum noch aufrechtzuerhalten. Insofern mag man der EU diesen Gipfel des Abwartens nachsehen. Vorausgesetzt, man hakt ihn als Durchgangsstation ab und kommt endlich in die Gänge.

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