Einladung zum Visionieren

Berlin. Sie wussten nicht, was sie tun, die Berliner in Kreuzberg, als sie jüngst das BMW Guggenheim Lab rüde aus ihrem Stadtbezirk vertrieben. Die Reizwörter, die dem Widerstand Flügel gaben, hießen Gentrifizierung, Globalisierung und Kommerzialisierung

Berlin. Sie wussten nicht, was sie tun, die Berliner in Kreuzberg, als sie jüngst das BMW Guggenheim Lab rüde aus ihrem Stadtbezirk vertrieben. Die Reizwörter, die dem Widerstand Flügel gaben, hießen Gentrifizierung, Globalisierung und Kommerzialisierung. Es hieß, die Guggenheim Foundation als weltweit mächtigster Kulturkonzern wolle auch für Berlin den Bilbao-Effekt; gemeint ist damit, dass man in einer vermögensschwachen Stadt ein spektakuläres Museum installiert und schon kommen Millionen Touristen und mit ihnen Millionen Euro. Doch darum geht es bei der Initiative gar nicht.Das Guggenheim Lab, von BMW und der UBS Bank unterstützt, will eine Plattform für Diskussionen über die Entwicklung urbaner Zentren sein. Deshalb geht es mit dem Denkforum - in Berlin nur ein provisorisches Membran-Konstrukt auf Stelzen für sechs Wochen - sechs Jahre lang in mehrere Megacities rund um den Globus, um mit Wissenschaftlern und interessierten und sozial engagierten Laien urbane Modelle des Zusammenlebens in neuen Formen zu erörtern. Berlin ist nach New York die zweite Station. Nachdem die Kreuzberger das Lab vergraulten, ist es nun am Pfefferberg im Stadtbezirk Prenzlauer Berg errichtet worden. Heute wird es eröffnet.

Die Leiterin Maria Nicanor, 32, hält die Geschichte Berlins als urbaner Ort für einmalig. Mitten in einer modernen Großstadt gibt es riesige Inseln: vor allem Industriebrachen, aber auch leere Fabriken und andere Gebäude. Das ist Potenzial. Seit 2011 arbeitet Nicanor mit vier Mitarbeiterin in der deutschen Hauptstadt. Darunter die Künstlerin Corinne Rose, die sich intensiv mit der umstrittenen Politik des Liegenschaftsfonds auseinander gesetzt hat, der landeseigene Immobilien meistbietend verscherbelt. Eines der wichtigsten Themen in der Bevölkerung, die Münchner Mietzustände fürchtet.

An einem Tag in den Wochen des temporären Museums wird es ein Podium nur für ältere Menschen geben. An einem anderen Tag gibt es ein kostenloses Fitnessprogramm. Eine mobile Universität wird Kurse anbieten und vorrangig bürgerbestimmte Gruppen wie Open Berlin werden unter dem Titel "Stadt Neu Denken" ihre Ansichten einbringen. Es geht um konkrete Anliegen der Stadtentwicklung, die auch über Berlins Grenzen hinaus von Interesse sind. Das BMW Guggenheim Lab sieht die Initiative als ergebnisoffenes Experiment. "Es wäre schön, wenn die Projekte, die wir anstoßen, weiterlaufen, wenn das Lab weg ist", erklärt Maria Nicanor. Denn die Epoche der gigantischen Flagship-Architektur, die mit Guggenheim in Mode kam, geht zu Ende, die Kultur braucht neue interkontinentale Netzwerke und lokale Initiativen. In Berlin wird man in den nächsten Wochen daran basteln. Kreuzberg wäre dafür auch ein guter Platz gewesen.

Bis 29. Juli: BMW Guggenheim Lab, Pfefferberg, Hof 3, Berlin. Mi-So: 14-22 Uhr.

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