Einfach Menschen beobachten

Er ist eine der Festival-Entdeckungen. Im Wettbewerbsfilm "Nemez" spielt Mark Filatov den Russlanddeutschen Dima, der nach einer Haftstrafe versucht, ein geregeltes Leben zu führen - während sein altes kriminelles Milieu ihn wieder einzuholen droht

 Schauspieler Mark Filatov im Saarbrücker Cinestar. Foto: Oliver Dietze

Schauspieler Mark Filatov im Saarbrücker Cinestar. Foto: Oliver Dietze

Er ist eine der Festival-Entdeckungen. Im Wettbewerbsfilm "Nemez" spielt Mark Filatov den Russlanddeutschen Dima, der nach einer Haftstrafe versucht, ein geregeltes Leben zu führen - während sein altes kriminelles Milieu ihn wieder einzuholen droht. Der Film packt viel hinein in seine 92 Minuten und droht sich manchmal zu verzetteln - aber Filatov hält alles zusammen, mit natürlichem, lässigem Spiel. Man schaut ihm einfach gerne zu.

Filatov wurde 1990 in Kirgisien geboren, er kommt mit fünf Jahren nach Deutschland - nach Neunkirchen. Klassische Jungschauspieler-Anfänge wie Schülertheater erlebt er dort nicht, das interessiert ihn weniger. "Was mich interessiert hat, schon als Kind, war das Beobachten von Menschen - auch wenn ich nie verstanden habe, warum." Seine Mutter versteht es und legt ihm nahe, die Schauspielerei sei "genau deins, Du kannst das". Mehr aus Neugier denn aus tiefstem Wunsch heraus bewirbt er sich mit 18 bei der Serie "Bloghaus.tv" im Kinderkanal. Er wird genommen, auch wenn die Produzenten sich über seinen saarländischen Akzent wundern (den er mittlerweile dank Sprecherziehung an- und ausschalten kann). TV-Rollen schließen sich an, in "Verbotene Liebe", "Alles was zählt" und in "Aktenzeichen XY", dem TV-Urgestein. "Da musste ich einen Juwelierladen ausrauben".

Danach beschließt Filatov, eine Schauspielschule zu besuchen, "denn das, was von mir alleine kommt, reicht nicht". Seit 2011 studiert er Schauspiel an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart. Das erste Semester tritt er mit drei Wochen Verspätung an, denn "Nemez" kommt dazwischen, die erste Spielfilmhauptrolle. Regisseur Stanislav Güntner überträgt sie ihm nach langem, langem Casting. "Ich glaube, er hatte am Ende jeden einzelnen Russisch sprechenden Schauspieler getestet."

Gleichzeitig ist Filatov mit einem Kurzfilm im Wettbewerb, "Dedowtschina", in dem er einen russischen Soldaten spielt. Wieder ein Russe? Keine Angst vor einer Ethno-Schublade? "Nein, es gibt ja nicht die eine Russen-Rolle." Dennoch ist er froh, bei seinen nächsten Arbeiten anderes zeigen zu können: Im Oktober spielt er am Nationaltheater Mannheim den Bauernsohn Ruprecht Tümpel in "Der zerbrochne Krug", danach am Wilhelma Theater Stuttgart in Maxim Gorkis "Nachtasyl", die Rolle ist noch unklar. Hat er schon den Punkt erreicht, an dem er von seiner Arbeit leben kann? Da lacht Filatov, was er im Gespräch oft tut. "Nein. Überhaupt nicht. Neeee." Immerhin, mit Bafög komme er über die Runden. Weitere Projekte sind noch nicht in Sicht, aber Filatov hofft auf die Wirkung des Festivals. Das Wichtigste hier aber sei für ihn, erzählt er glaubhaft jenseits von Mama-Klischees, dass seine Mutter bei den Vorstellungen dabei ist. "Bei der ersten weinte sie am Anfang, hat sich aber nichts anmerken lassen. Danach war sie ganz in der Geschichte drin." Zu ihr nach Neunkirchen fährt Filatov mindestens einmal im Monat, weil "an der Schauspielschule so viel passiert. Man lernt so viel über sich selbst, ist permanent mit sich selbst beschäftigt", da könnten andere Personen durchaus "emotional verloren gehen". Einmal sei er erst nach zwei Monaten wieder nach Hause gefahren und habe sich dort prompt als Fremder empfunden. "Es fühlte sich nicht an wie mein Zuhause, ein schrecklicher Zustand."

Auch während des Festivals geht das Studium weiter - gestern fuhr Filatov für einen Tag nach Stuttgart, um am Samstag wieder das Festival zu besuchen, seine Filme zu diskutieren, Kontakte zu knüpfen. "Das Geschäft ist hart und schnell, man weiß nicht, ob man irgendwann alleine zuhause vor dem Spiegel spielt." Aber Filatov versucht es. "Ich hatte ja auch einen Studienplatz in Immobilienwirtschaft", sagt er. "Aber ich wollte keinen Alternativplan."

 Schauspieler Mark Filatov im Saarbrücker Cinestar. Foto: Oliver Dietze

Schauspieler Mark Filatov im Saarbrücker Cinestar. Foto: Oliver Dietze

"Nemez" läuft am Sonntag, 11 Uhr, "Dedowtschina" am Sonntag um 20.15 Uhr: jeweils Cinestar.

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