"Eine Oper der Aggressionen"

Saarbrücken. Den "Otello" will jeder Opernregisseur unbedingt mal inszenieren. So sieht's Olivier Tambosi (Foto: SZ), dessen Interpretation von Verdis berühmtem Alterswerk "Otello" (1887) morgen am Staatstheater Premiere hat

Saarbrücken. Den "Otello" will jeder Opernregisseur unbedingt mal inszenieren. So sieht's Olivier Tambosi (Foto: SZ), dessen Interpretation von Verdis berühmtem Alterswerk "Otello" (1887) morgen am Staatstheater Premiere hat. "Als die Anfrage kam, war ich glücklich und froh", erzählt der in Paris geborene und in Luzern lebende Regisseur, der an internationalen Häusern heimisch ist: "Saarbrücken ist bezaubernd, am Theater habe ich es mit einer exzellenten Besetzung zu tun."

Obwohl Tambosi in Wien Philosophie und Theologie studierte, muss man ihn drängen, etwas zum philosophischen Ansatz der Oper zu sagen. Zu oft seien von Kollegen intellektuelle Botschaften zu vernehmen, "die erst zu dechiffrieren sind." Ein Konzept sei nur Arbeitsbehelf, Tambosi wolle "verführen und begeistern". Nun, zuallererst sei die seit dem 16. Jahrhundert in zahlreichen Fassungen veröffentlichte Erzählung über den "Mohren von Venedig" ein Eifersuchtsdrama über einen Außenseiter, "der sich emporgearbeitet hat und wegen seiner militärischen Erfolge respektiert wird" - also "auch ein Stück über eine militärische Gesellschaft". Das Wichtigste ist für Tambosi freilich "die Dekonstruktion der Harmonie". Faszinierend, "wie in der Oper des 19. Jahrhunderts immer mehr gebrochene Gestalten und Randfiguren der Gesellschaft ins Zentrum rückten". Bei Verdi geschehe zweierlei: "Der Held wird zum Mörder. Aber er ermordet nicht nur Desdemona, sondern sich und sein Heldentum". Die Liebe zu Desdemona sei "ausschließlich, blind machend - nur dadurch wird der Mann so angreifbar. Es ist die Sehnsucht der Romantik, die Momente des Glücks zu verabsolutieren".

Tambosi spricht von einer Oper der Aggressionen, "sie ist gewaltig und gewalttätig". Bereits der Sturm zu Beginn symbolisiere das Schwanken des Universums: Das Orchester (Leitung: Toshiyuki Kamioka) soll seelische Abgründe aufreißen. Tambosi erkennt im Libretto von Arrigo Boito "eine Jugendstilsprache mit allem Symbolismus und Expressionismus". Manchmal genüge es, "am Lack der Zivilisation zu kratzen und alles Wilde und Böse breche durch." Unsere Freiheit sei zugleich ein Wegfallen der Werte, das sich bereits seit dem 18. Jahrhundert durch Figuren wie Don Giovanni und Marquis de Sade ankündigte, die nur nach eigenem Vorteilsdenken handelten. Biotos Credo des Jago, das bei Shakespeare nicht vorkomme: Es gibt weder Gut noch Böse; er sieht Jago als kalten Menschen ohne Empathie. "Jago beraubt Otello seiner Menschenwürde und Menschlichkeit." Indem er ihm die Liebe zu Desdemona entzieht, fällt der ins Leere. "Die Tragödie liegt in der Spannung, dass man in jedem Moment Einhalt gebieten will, weil man merkt, wie wieder ein Stück vom Boden, auf dem Otello geht, weggezogen wird." uhr

Premiere: Morgen, 19.30 Uhr.

Info: Tel. (06 81) 3092486 und www.theater-saarbruecken.de

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