"Eine Green Card für Pflegekräfte"

Herr Meurer, wie gut ist die geplante Pflegereform?Meurer: Wir begrüßen, dass Demenzkranke Leistungsverbesserungen im ambulanten Pflegebereich erhalten sollen. Für den stationären Bereich sind jedoch keine Leistungsverbesserungen vorgesehen. Dabei leben in den Heimen immerhin rund 70 Prozent aller Demenzkranken. Das ist das falsche Signal auch für die dortigen Pflegekräfte

Herr Meurer, wie gut ist die geplante Pflegereform?Meurer: Wir begrüßen, dass Demenzkranke Leistungsverbesserungen im ambulanten Pflegebereich erhalten sollen. Für den stationären Bereich sind jedoch keine Leistungsverbesserungen vorgesehen. Dabei leben in den Heimen immerhin rund 70 Prozent aller Demenzkranken. Das ist das falsche Signal auch für die dortigen Pflegekräfte. Sie müssen sich als Stiefkind der angepeilten Reform betrachten.

Werden Pflegekräfte zu schlecht bezahlt?

Meurer: Die Vergütung für Pflegefachkräfte schwankt zwischen 2100 Euro und mehr als 3000 Euro. Ob das angemessen ist oder nicht, darüber lässt sich diskutieren. Man darf aber nicht vergessen, dass die Heim-Arbeitgeber bei Vergütungsverhandlungen mit den Pflegekassen und Sozialträgern oft schon Probleme haben, die geltenden Tariflöhne überhaupt genehmigt zu bekommen.

Wie akut ist der Mangel an Pflegekräften?

Meurer: Anfangs war der Mangel nur in Ballungszentren spürbar. Mittlerweile ist er flächendeckend. In Deutschland fehlen derzeit rund 30 000 Pflegekräfte, um die schlimmsten Probleme zu beseitigen. Wenn diese Leute morgen auf den Markt kämen, dann wären sie übermorgen alle in Lohn und Brot.

Gerade hat die Bundesregierung die Zuwanderungsregelungen für bulgarische und rumänische Pflegekräfte gelockert. Ist das nichts?

Meurer: Wenn wir uns die demografische Entwicklung anschauen, dann lässt sich das Pflegeproblem auch nicht allein mit zusätzlichen Pflegekräften aus den EU-Ländern schultern.

Was fordern Sie noch?

Meurer: Notwendig sind drei Maßnahmen. Erstens: Wir müssen bei den jungen Menschen verstärkt für den Pflegeberuf werben. Zweitens: Wir müssen verstärkt auf Umschulung setzen. Ich meine dabei vor allem Frauen im mittleren Alter, die noch mal einen neuen Beruf erlernen wollen. Dafür müssen aber auch die Konditionen stimmen. Gegenwärtig werden von drei Ausbildungsjahren nur zwei gefördert. Im dritten Jahr steht der Umschüler finanziell allein da. Das geht nicht. Und zum dritten brauchen wir eine geordnete Zuwanderung.

Soll heißen?

Meurer: Notwendig ist eine Green Card für Pflegefachkräfte. In Ländern wie Indien, Vietnam und den Philippinen gibt es ein Überangebot an ausgebildeten Pflegekräften, die arbeitslos sind. Hier muss sich die Bundesregierung bewegen. Als die IT-Branche einen Fachkräftemangel beklagte, legte die Politik wie ein Posaunenchor los. Im Pflegebereich kommt sie über zarte Flötentöne nicht hinaus. Offenbar unterschätzt die Regierung den Pflegenotstand.

Kritiker sagen, dass ausländische Pflegekräfte ungenügend qualifiziert seien.

Meurer: In vielen europäischen Ländern dauert die Pflegeausbildung ein bis eineinhalb Jahre länger als in Deutschland. Etwas mehr Objektivität und auch Bescheidenheit ist hier durchhaus angebracht.

Wo soll das Geld herkommen?

Meurer: Sicher ist es mit einer minimalen Beitragserhöhung, wie jetzt bei der Pflegereform vorgesehen, nicht getan. Allerdings müssen wir davon wegkommen, Pflege nur als Kostenfaktor zu sehen. Sie ist auch ein enormer Wirtschaftsfaktor. Von einem investierten Euro fließen 90 Cent an den Staat zurück. Durch Steuern, Beiträge und durch die Steigerung des Bruttoszialprodukts. Und das Wichtigste: Die Arbeitsplätze im Pflegebereich sind sicher. Es können nur mehr werden.Foto: Verband

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