Eine Geschichte, die allerhand Schwestern hat
Dudweiler · Das Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass in Dudweiler zeigt aus Anlass des 70. Geburtstages von Alfred Gulden eine Schau mit einigen seiner Schriften. Zur Eröffnung am Dienstag ist eine Lesung mit Gulden geplant.
Mit jeder Geschichte, die Alfred Gulden erzählt, erzählt er noch drei andere. Und noch mindestens drei weitere stecken angedeutet darin. Gulden bezeichnet sich als Melancholiker, allerdings als einen produktiven. Und so kann der Schriftsteller, Filmemacher und Musiker an seinem heutigen 70. Geburtstag auf zahlreiche Erfolge blicken: Sein Film "Grenzfall Leidingen" wurde prämiert, bekannt ist Gulden auch für seine Mundartgedichte, erhalten hat er unter anderem den Deutsch-Französischer Journalistenpreis und den Kunstpreis des Saarlandes.
Geboren wurde er 1944 im damaligen Saarlautern-Roden, heute pendelt er zwischen Wallerfangen und München. Da er zwei Hausstände hat, reist er nur mit einer kleinen Aktentasche. Seine Geschichten und Anekdoten aber sind ein großes Gepäckstück mit 1000 tiefen Seitentaschen. Fragt man Gulden etwa, wie er zum Schreiben kam, greift er in die Taschen seines Anekdotengepäcks: Er erzählt von seinen Notizbüchern, wie sie - zum Leidwesen seiner Frau - die Jacketttaschen ausbeulen. Dann davon, wie er seine Frau tröstet - mit Jürgen Habermas, dem ein ausgelaufener Kugelschreiber einst blitzeblaue Flecke um die Manteltasche gezaubert hatte. Denn bei Alfred Gulden hat jede Geschichte noch allerhand Schwestern. Erzählt er vom Dreh im lothringischen Gorze, fällt ihm der geistig Behinderte ein, der stets salutierte und Stunden neben dem Kameramann stand.
Besonders inspiriert hat ihn Charlotte Carrive. Sie war als Jüdin aus Breslau geflohen und übersetzte später Kafka ins Französische. "Eine hochintelligente Frau, sie las unsagbar viel." Gulden erinnert sich an ihre Sammelleidenschaft für Taschen und ihr Weingut nahe Bordeaux. 1999 drehte er über sie den Film "Glück im Unglück. Die Geschichte der Madame Carrive." Zurzeit arbeitet er an einem Band mit 21 Geschichten - 13 sind fertig, der Titel ebenfalls: "Die Taschen der Madame Carrive".
Vieles ist bei Alfred Gulden miteinander verwoben, aber keine Geschichte hat eine andere überschrieben - alles ist klar geordnet. Das liegt wohl an den Notizbüchern, die er seit Jahrzehnten führt. Einige zeigt die Schau im Literaturarchiv neben FilmUtensilien und Romanen.
Der Kulturausschuss der Stadt Saarlouis hat Gulden anlässlich seines 70. Geburtstages für zwei Jahre zum Stadtschreiber gewählt. Passend, schrieb Gulden doch seine ersten Geschichten über Saarlouis. "Das ist für mich eine, durch ihre Hin- und Her-Geschichte, aberwitzige Stadt." Dann schließt er den Bogen und verrät, wie er dazu kam - zum Schreiben. Es ist die Faszination der Buchstaben. "Das Wort ist eine Ungeheuerlichkeit. Alles, was man denkt, fühlt, kann man in kleinen Zeichen wiedergeben, die eine Welt erschaffen." Ob er schreibe, musiziere oder filme - er bleibe ein Former der Zeichen.
Der zweite Teil von Guldens Leben spielt sich in München ab, wo er in den 60ern in Kellertheatern Regie führte. In München traf er den Künstler Giuseppe Penone. Und wie der die Jahresringe eines Baumes schälte… aber das ist eine andere Geschichte.
Die Schau "I can't wait - Alfred Gulden als Filmemacher" öffnet am Dienstag, 18.30 Uhr. Alfred Gulden liest, gezeigt wird sein Film "A Coney Island of my heart". Laufzeit bis zum 30. April.
Literaturarchiv Saar-Lor-Lux-Elsass, Beethovenstraße Zeile 6, Dudweiler. Mittwoch 9 - 12, 13 - 16 Uhr, sowie nach Vereinbarung unter Tel. (06 81) 30 25 83 29.