"Eine ganz einfache Geschichte"3D contra Stummfilm

"The artist" ist ein Stummfilm, noch dazu in Schwarzweiß. Dennoch gewinnt er seit seiner Premiere in Cannes Preis und Preis, bis hin zu den Oscars.Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?Hazanavicius: Das ist schwer zu sagen

 Jean Dujardin als Stummfilm-Star in der Karrieredämmerung: Der Tonfilm entsteht. Foto: Delphi

Jean Dujardin als Stummfilm-Star in der Karrieredämmerung: Der Tonfilm entsteht. Foto: Delphi

"The artist" ist ein Stummfilm, noch dazu in Schwarzweiß. Dennoch gewinnt er seit seiner Premiere in Cannes Preis und Preis, bis hin zu den Oscars.Wie erklären Sie sich diesen Erfolg?Hazanavicius: Das ist schwer zu sagen. Wegen der Nostalgie? Weil er anders ist? Oder einfach, weil der Film gut ist? Dass die Zuschauer hier eine andere Art Film entdecken, könnte eine große Rolle spielen. Aber auch, dass jemand aus einem sehr alten Format einen modernen Film gemacht hat, was wohl niemand erwartet hat.

War es schwierig, dieses Projekt zu realisieren?

Hazanavicius: Den Traum und den Wunsch, einen Stummfilm zu drehen, hatte ich seit langem. Aber obwohl ich mit den "OSS"-Parodien zuletzt zwei kommerziell erfolgreiche Filme gedreht habe, hat kaum jemand an dieses Projekt geglaubt.

Sie haben zum wiederholten Mal Jean Dujardin in der Hauptrolle besetzt. Was ist das Besondere an seinem Spiel?

Hazanavicius: Er hat diese spezielle Energie. Man spürt diese unbändige Freude, wenn er vor der Kamera steht. Es gibt nur wenige Schauspieler, denen das gelingt. Douglas Fairbanks, Vittorio Gassman und Jean-Paul Belmondo waren so - und Jean eben auch. Als ich das Skript zu "The Artist" schrieb, hatte ich ihn im Hinterkopf.

Was war für Sie die größte Herausforderung bei den Dreharbeiten?

Hazanavicius: Die Zeit einzuhalten - denn der Film musste in 35 Tagen abgedreht sein, was sehr kurz ist. Technisch haben sich die Dreharbeiten nicht allzu sehr unterschieden von denen an einem üblichen Film. Ganz anders war das Drehbuchschreiben, weil man nicht dieselben dramaturgischen Werkzeuge hat und keine Dialoge benutzen kann. Man hat nur die Bilder und muss seine Arbeitsweise neu erfinden.

Was unterscheidet "The artist" von Ihren vorherigen Filmen, den Agentengenre-Parodien "OSS", in denen ebenfalls Jean Dujardin die Hauptrolle gespielt hat?

Hazanavicius: Die "OSS"- Filme waren einfach Komödien - das Publikum sollte über sie lachen. "The artist" ist viel emotionaler und weniger ironisch, was neu für mich war. Meine vorherigen Filme waren sehr satirisch, ironisch und sarkastisch. Dieser hier ist eine ganz einfache Geschichte. Er ist so etwas wie ein glückliches Melodrama.

Wie stark unterschied sich die Arbeit mit den Schauspielern im Vergleich zu Tonfilmen?

Hazanavicius: Für mich kaum. Die Schauspieler selbst allerdings mussten sich der Sache anders annähern - sie agieren viel körperlicher. Mein Star Bérénice Bejo zum Beispiel hat daran gearbeitet, sich so bewegen und gehen zu können wie einst amerikanische Schauspielerinnen. Außerdem habe ich beim Dreh laute Musik laufen lassen, so ließen sich sehr schnell Emotionen erzeugen, mit denen die Darsteller dann arbeiten und spielen konnten - das haben sie geliebt.

"The artist" startet morgen in der Camera Zwo (Sb). Kritik im treff.region.

Los Angeles. Es hatte wohl jeder auf "The artist" als größten Oscar-Favorit gesetzt: Seit seiner Premiere in Mai gewinnt der französische Film stetig Preis um Preis. Als die umtriebigen Weinstein-Brüder, einst unter dem Banner Miramax berühmt-berüchtigt für aggressive und erfolgreiche Oscar-Kampagnen ihrer Filme, "The artist" für den US-Markt kauften, war der Weg zu den Nominierungen großflächig geebnet. Doch dass nun Martin Scorseses 3D-Film "Hugo Cabret" dank seiner elf Nominierungen an der französischen Konkurrenz vorbeizieht, überraschte nahezu alle Oscar-Vorhersager. Dennoch wird die 84. Oscar-Verleihung am 26. Februar im Zeichen von "The artist" stehen. Denn viele Nominierungen für Scorsese liegen eher im technischen, weniger prestigeträchtigen Bereich - und es wäre nicht das erste Mal, dass Scorsese viel nominiert und demütigend wenig ausgezeichnet wird - "Gangs of New York" hatte 2003 zehn Nominierungen, ging dann aber leer aus.

Sechs Nominierungen erhielt der Sportfilm "Moneyball", darunter sein Hauptdarsteller Brad Pitt, ebenso wie Steven Spielbergs Kriegsdrama "Gefährten". Mehr als seine fünf Nominierungen (wie auch "Verblendung") hatten Beobachter Alexander Paynes Familiengeschichte "The descendants" zugetraut, deren Hauptdarsteller George Clooney auch noch für einen anderen Film nominiert ist: als Co-Autor des Drehbuchs von "The ides of march". Zwei Darsteller, die vorab als ziemlich sicherer Nominierungs-Tipp galten, bleiben außen vor: Michael Fassbender in "Shame" und Leonardo DiCaprio als FBI-Gründer in Clint Eastwoods "J. Edgar".

Als große Favoritin für einen Darsteller-Oscar gilt Meryl Streep, die in "Die Eiserne Lady" die Premierministerin Margaret Thatcher spielt: Ihre Leistung wird durchweg gepriesen (anders als der ganze Film), es ist ihre 17. Nominierung, zuletzt gewann sie 1984 ("Sophies Entscheidung").

Erfreulich sind die Nebenrollen-Nominierungen für drei verdiente Veteranen: Max von Sydow ("Extremely loud & incredibly close"), Nick Nolte ("Warrior") und Christopher Plummer (Beginners").

Ein Dokumentar-Oscar könnte nach Deutschland gehen: an Wim Wenders für seinen 3D-Tanzfilm "Pina" über die Choreografin Pina Bausch. In der Kurzfilm-Sparte ist eine deutsche Produktion im Rennen, die im Januar 2011 im Wettbewerb des Saarbrücker Max-Ophüls-Festivals seine Uraufführung erlebte: die in Indien gedrehte Adoptionsgeschichte "Raju" von Max Zähle. Foto: dpa

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Die anderen neuen Filme. Das berührende Familiendrama "The descendants" mit George Clooney, fünf Mal für den Oscar nominiert, startet in der Camera Zwo (Sb), im Cinestar (Sb), im Movie World (Sls) und im Zweibrücker Cinema Europa. "Drive", eine ambitionierte Kreuzung aus harter Action und Kunstfilm mit Ryan Gosling (frei ab 18 Jahren), startet im Cinestar (Sb). Das Saarbrücker Filmhaus zeigt das sehenswerte Schriftstellerporträt "William S. Burroughs: A man within". Ebenfalls im Filmhaus läuft der ungewöhnliche, ruhige Western "Meek's cutoff", der von der Odyssee einer Familie im Oregon des 19. Jahrhunderts erzählt. red

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Die Nominierungen in den populärsten Sparten:

Bester Film: "The artist", "The descendants", "Extremely loud & incredibly close", "The help", "Gefährten - War horse", "Midnight in Paris", "Hugo Cabret", "Die Kunst zu gewinnen - Moneyball", "Tree of life".

Beste Regie: Woody Allen ("Midnight in Paris"), Martin Scorsese ("Hugo Cabret"), Michel Hazanavicius ("The artist"), Alexander Payne ("The descendants"), Terrence Malick ("Tree of life").

Hauptdarsteller: George Clooney ("The descendants"), Jean Dujardin ("The artist"), Brad Pitt ("Die Kunst zu gewinnen - Moneyball"), Gary Oldman ("Dame, König, As, Spion"), Demián Bichir ("A better life").

 Ditta Miranda Jasifi in Wim Wenders' Tanzfilm "Pina",nominiert in der Dokumentarsparte. Foto: dpa

Ditta Miranda Jasifi in Wim Wenders' Tanzfilm "Pina",nominiert in der Dokumentarsparte. Foto: dpa

Hauptdarstellerin: Viola Davis ("The help"), Meryl Streep ("Eiserne Lady"), Michelle Williams ("My week with Marilyn"), Rooney Mara ("Verblendung"), Glenn Close ("Albert Nobbs"). Alle Nominierungen: www.oscars.org dpa

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