Eine Familie am Abgrund: Peter Buwaldas großer Debütroman

Das Buch schlug in den Niederlanden ein wie eine Bombe. Der 1971 in Brüssel geborene Peter Buwalda haute einen so gewaltigen Familienroman raus, dass kaum jemand daran vorbei kam: Über ein Jahr stand er auf den Bestsellerlisten, 21 Auflagen wurden gedruckt, 250 000 Exemplare verkauft und jeder erdenkliche Preis gewonnen. Nun ist der Roman endlich auf Deutsch zu haben

Das Buch schlug in den Niederlanden ein wie eine Bombe. Der 1971 in Brüssel geborene Peter Buwalda haute einen so gewaltigen Familienroman raus, dass kaum jemand daran vorbei kam: Über ein Jahr stand er auf den Bestsellerlisten, 21 Auflagen wurden gedruckt, 250 000 Exemplare verkauft und jeder erdenkliche Preis gewonnen. Nun ist der Roman endlich auf Deutsch zu haben.

Kühl und nicht ohne Süffisanz wird darin eine zeitgemäße Familientragödie ausgebreitet: Schaut so aus, als hätte Siem Sigerius alles im Griff. Als Judoka ist er körperlich fit, als Universitätsrektor pflegte er sein Ego, sein Renommee gedeiht, sogar ein Ministerposten ist im Gespräch. Seine erste Frau und den gemeinsamen Sohn hat er verlassen und die Frau geheiratet, die er wirklich liebt. Für deren beide Töchter gab er den wunderbar zärtlichen Stiefvater. Zeitweilig lebte man sogar idyllisch in den USA. Doch nun gerät alles, was auf festem Boden zu stehen schien, aus den Fugen. Die schöne Bilderbuch-Stieftochter Joni, inzwischen erwachsen, und ihr Freund Aaron beginnen eigene Süppchen zu kochen: Sie fotografieren sich beim Edelsex und nutzen das boomende Internet, um bereitwillig zahlende Abonnenten bei der Stange zu halten. So schaffen sie ein Vermögen zur Seite. Für den wirklichen Thrill im Roman sorgt jedoch Wilbert, der Sohn aus der ersten Ehe, ein kriminelles Pulverfass, grob und irgendwie verletzlich. Er sitzt eine lange Haftstrafe ab, weil er seinem Lehrmeister mit einem Hammer das Gesicht zu Brei geschlagen hat. Doch auch seine Haftzeit endet mal - und er hat mit seiner Familie noch eine Rechnung offen.

Als alle Lunten zu zündeln beginnen, zieht es dem labilen Aaron wortwörtlich den Boden unter den Füßen weg: In seiner Heimatstadt Enschede geht mit der Feuerwerksfabrik ein halber Stadtteil in pyrotechnischer Erschütterung unter, darunter sein Haus. Die Luft wird dünner für Siem, kein Stein bleibt auf dem anderen, das Leben seines Kindes und der Stiefkinder scheinen darauf gerichtet, seins zu zerstören. Das Projekt Patchwork-Familie ist im Untergang begriffen.

Bemerkenswert ist die Art, wie der Romanstoff mit Rückblenden und Multiperspektiven in Szene gesetzt ist. Bisweilen wirken die Figuren wie unter der Lupe, so genau erscheinen sie in ihrem Handeln motiviert. Und plötzlich bekommt der Roman eine schräge Drift, wird schlichtweg bizarr, eben so wie die Auswüchse des Lebens sein können, wenn man sich in einer elementaren Lebenskrise befindet. Ganz en passant werden, nicht ohne kaltschnäuzige Komik, frisch aufgelesene Pop-Phänomene eingestreut. Sie wirken wie Augen öffnende Pillen, erinnern uns Leser daran, dass die im Roman geschilderte Wirklichkeit nah an der unseren gebaut ist. Absolut lesenswert. arg

Peter Buwalda: Bonita Avenue, 640 Seiten, Rowohlt, 24,95 Euro.

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