"Eine Art Wundsalbe"

Los Angeles. "Fuck!". "Fucker!"

Los Angeles. "Fuck!". "Fucker!". Wer hier so beherzt (und inmitten junger Filmstudenten in einem Kino etwas beifallheischend-juvenil) flucht, ist 74 Jahre alt, schaut mit Flanellhose, Kashmirpulli und Scheitel höchst bürgerlich-kultiviert aus: Es ist William Friedkin, Filmregisseur, zur Legende geworden ebenso durch seine Erfolge mit "French Connection" und "Der Exorzist" wie durch seine Karriere-Abstürze danach. Friedkins fluch-unterfütterte Erzählungen über seine Erfolge in der guten alten Zeit stammen aus der jüngsten Folge der stets sehenswerten Arte-Reihe "Durch die Nacht mit. . .", in der zwei Künstler, die sich zuvor nie gesehen haben, einen Abend miteinander verbringen.

Friedkins Gegenüber ist der deutsche Regisseurs-Kollege Uli Edel. Doch da Friedkin sehr gut erzählen kann und Edel gerne zuhört, erfährt man von Edel wenig - zumindest sieht man, dass sein Haus am Sunset Boulevard weit geschmackvoller ist als Friedkins Hollywood-Palast mit Versailles-Proportionen, Koch und Blümchensofa. "Es ist schon schwierig, bei Friedkin dazwischenzukommen, wenn er mal in Fahrt ist", sagt Uli Edel, am Telefon nach der Sendung befragt, "aber es ist ja auch interessant, was er zu erzählen hat." Gerade für Edel, der das amerikanische Kino liebt, seit 20 Jahren in Amerika lebt und arbeitet. Ein Karriereplan sei das nicht gewesen, sagt der 63-Jährige, sondern "reiner Zufall. Amerika als Land hat mich nie besonders interessiert, nur das amerikanische Kino. Und dafür muss man ja nicht dahin ziehen." Nach seinem Film "Last Exit Brooklyn" wurde er nach Hollywood eingeladen, dann "habe ich mich verliebt, habe geheiratet und bin hier geblieben".

Seitdem arbeitet Edel vor allem fürs US-Fernsehen, bei Serien wie "Homicide" und bei Großproduktionen wie "Die Nebel von Avalon" (2001) und die Miniserie "Julius Caesar" (2002) mit Richard Harris und Christopher Walken. "Mein 1999er Western 'Purgatory' mit Sam Shepard", sagt Edel, "ist mit 31 Millionen Zuschauer die erfolgreichste Kabel-TV-Produktion des US-Fernsehens." Eine erfolgreiche Karriere also, auch wenn davon in der alten Heimat nicht überall Notiz genommen wird. Dass beim Huldigen der "Deutschen in Hollywood" immer die Namen Roland Emmerich und Wolfgang Petersen fallen, seiner aber seltener, sieht Edel pragmatisch: "Die beiden haben ja auch eine unglaubliche Karriere gemacht. Aber ich habe mir hier beim Fernsehen eine große Freiheit erarbeitet." Zurzeit bereitet er den Film "Face Value" vor, den er ab Ende September dreht. Oscar-Preisträgerin Rachel Weisz spielt den realen Hollywoodstar Hedy Lamarr (1914-2000). "Neben ihrer Arbeit als Schauspielerin erfand Lamarr ein Frequenzsprungverfahren, ohne das es heute keine Handys gäbe". Es ist Edels erster US-Kinofilm seit dem 1997er Erotikthriller "Body of evidence" mit Madonna; in Deutschland hat Edel vor zwei Jahren den "Baader Meinhof Komplex" gedreht, seinen ersten deutschsprachigen Film seit 20 Jahren. Ein großer Kontrast zu seinen US-Produktionen? "Nein, ich war unglaublich überrascht vom technischen Standard hinter der Kamera. Und vor der Kamera hatte ich die A-Klasse des Landes - das war eine wunderbare Erfahrung." Weniger wunderbar war die Reaktion auf den Film, zumindest in Deutschland. "Die Kritik war sehr scharf, das war bei mir aber immer so. Meine Filme, ob 'Christiane F.' oder 'Last Exit Brooklyn', wurden von der deutschen Kritik heftigst angegriffen und hier in den USA viel besser aufgenommen." Edels "Baader Meinhof Komplex", bei deutschen Preisverleihungen ignoriert, rangierte bei US-Kritikern auf einigen Jahres-Top-Ten-Listen und erhielt eine Oscar-Nominierung als bester fremdsprachiger Film.

"So eine Nominierung", gibt Edel zu, ist für mich eine Art Wundsalbe." Den enormen Unterschied in der Rezeption in Deutschland und in den USA kann er sich nicht erklären. Dass sein jüngster deutscher Film, die Rapper-Biografie "Zeiten ändern Dich", von der deutschen Kritik besonders attackiert wurde (vor allem Bushido, der sich selbst spielt), hat ihn überrascht: "Es war doch einfach nur ein Film über Rapmusik, mit einem Darsteller, der sich selbst so gut gespielt hat, wie er es eben konnte."

Anders als Friedkin, dem man in der Sendung eine "Früher war alles besser"-Haltung und eine gewisse Frustration über Karriereschwankungen anmerkt, wirkt Edel pragmatisch, was die natürlichen Hochs und Tiefs einer Karriere angeht. "Hier in der Stadt leben 10 000 Regisseure, gedreht werden im Jahr aber höchstens 500 Filme. Wenn man hier regelmäßig arbeiten kann, muss man sich glücklich schätzen."

"Durch die Nacht" mit Uli Edel und William Friedkin: Heute Abend, 0.10 Uhr, Arte.

 Ein Tag mit den Hollywood-Regisseuren William Friedkin (Brillenträger) und Uli Edel (Bartträger): Mittags im Arbeitszimmer von Friedkin, abends am Sunset Boulevard. Fotos: arte

Ein Tag mit den Hollywood-Regisseuren William Friedkin (Brillenträger) und Uli Edel (Bartträger): Mittags im Arbeitszimmer von Friedkin, abends am Sunset Boulevard. Fotos: arte

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