Eine Armee zum Ausschneiden

Saarlouis · In Saarlouis kann man sich ab diesem Sonntag eine Sammlung von 3600 Papiersoldaten ansehen, dazu Aufnahmen von den Festungsanlagen der Stadt – eine gelungene Verbindung.

 Diese Kürassiertrompeter stammen aus der Straßburger Manufaktur von Henri-Rudolphe Gustave Silbermann. Foto: Thomas Wolf

Diese Kürassiertrompeter stammen aus der Straßburger Manufaktur von Henri-Rudolphe Gustave Silbermann. Foto: Thomas Wolf

Foto: Thomas Wolf

Großfotografien von Vaubans Festungsanlagen aus dem 17. Jahrhundert und Papiersoldaten in Uniformen der französischen Armee des 19. Jahrhunderts im Museum Haus Ludwig: Das passt gut zusammen, denn in der ehemaligen Festungsstadt liegen Vergangenheit und Gegenwart nahe beieinander.

Dabei bleibt das Haus seinem ihm ursprünglich vom Sammlerpaar Irene und Peter Ludwig gegebenen Konzept "Berührung der Kulturen" verbunden. Das begann vor exakt 25 Jahren in dem ehemaligen Gebäude der Landeszentralbank mit Ludwigs Sammlung von DDR-Kunst. Idealerweise, denn Ludwigs Kölner Unternehmen "Trumpf Schokolade" lässt in Fraulautern produzieren, und Saarlouis verband 1986 mit Eisenhüttenstadt die erste deutsch-deutsche Städtepartnerschaft. Doch ein halbes Jahr später hatte die Zeit den Ludwig-Plan eingeholt, die Mauer war gefallen, die DDR-Geschichte und deren Kunst nun überall. Nur die Mauer zwischen Stadt und Ludwig-Sammlung blieb. Doch auch diese fiel, Mitte der 90er Jahre, als sich das Haus als "Museum Haus Ludwig für Kunstausstellungen" mit Wechselschauen und museumspädagogischen Angeboten sein Publikum erarbeitete. Seit dem Auslaufen des Kooperationsvertrags mit Schloss Oberhausen 2007 gewährt ein neuer Vertrag den Zugriff auf die Ludwig-Sammlungen, "so wie bei jedem anderen Ludwig-Museum", sagt Museumsleiterin Claudia Wiotte-Franz.

So kam es, dass nun 3600 Papiersoldaten, "Les Petits Soldats de Strasbourg", das Haus überrennen. Sie stammen aus der Straßburger Manufaktur von Henri-Rudolphe Gustave Silbermann, der zwischen 1830 und 1870 Soldaten aus der Zeit Napoleon I. sowie aller Waffengattungen der Armee Napoleon III. auf Ausschneidebögen aus Papier drucken ließ.

Heute ein Fremdkörper? Nein, nicht in einer Festungsstadt, die nach 1680 von Frankreich erbaut, nach 1815 von den Preußen gehalten und schließlich gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufgegeben wurde. Die verfüllten Gräben der Wasserfestung sind heute Straßen, der von Vauban geplante wehrhafte Sechseck-Grundriss ist allgegenwärtig. Er bestimmt die Infrastruktur der Stadt, nicht um Menschen fernzuhalten, sondern um sie in die Stadt hineinzuführen. Ebenso schreckt die schiere Masse der Figürchen nicht. Sie entzückt, so wie sie vor 60 Jahren Irene und Peter Ludwig entzückt haben mag, als sie in einer New Yorker Antiquitätenhandlung die Soldaten entdeckten und in Kisten bei sich aufbewahrten.

Nach dem Tod von Irene Ludwig 2012 stieß Claudia Wiotte-Franz auf diese Kisten und beschloss, eine Ausstellung zu machen. Nicht zuletzt, "um die Vielfalt der Sammlung Ludwig zu zeigen, die nicht nur aus Malerei, Fotografie oder Keramik besteht, sondern auch aus den Straßburger Papiersoldaten". Die druckte man auf Papierbögen, wovon 30 aus den Beständen des Historischem Museums Straßburg nach Saarlouis kamen. Dazu bilden die großformatigen Fotografien von Vaubanschen Festungsanlagen von Thomas Wolf einen scheinbaren Kontrast. Jedoch zeigt er Anlagen, die zur Zeit von Napoleons Garde noch bestanden. Hier gilt also immer noch die "Berührung der Kulturen": Ob in der Vielgestaltigkeit der Ludwig-Sammlungen, im die Zeiten überblendenden Stadtbild oder im Programm des Museums.

Bis 12. Oktober. Eröffnung: Sonntag, 11 Uhr. Dienstag bis Freitag von 10 bis 13 und von 14 bis 17 Uhr geöffnet; samstags, sonn- und feiertags von 14 bis 17 Uhr. Katalog: 19,50 Euro.

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