"Ein unzärtliches Kind! Ach!"

schauspiel · Franz Moor (Thomas Schmidt) spinnt eine Intrige gegen seinen Zwillingsbruder Karl (Benjamin Bieber). Sieht er sich doch durch die Natur völlig benachteiligt. Er setzt Karl gegenüber dem Vater (Marcel Bausch) als amoralischen Mörder und Flüchtling in ein falsches Licht und spekuliert zu Recht darauf, dass der alte Moor sich aus Gram und Entsetzen vom geliebten Erstgeborenen abwendet

Franz Moor (Thomas Schmidt) spinnt eine Intrige gegen seinen Zwillingsbruder Karl (Benjamin Bieber). Sieht er sich doch durch die Natur völlig benachteiligt. Er setzt Karl gegenüber dem Vater (Marcel Bausch) als amoralischen Mörder und Flüchtling in ein falsches Licht und spekuliert zu Recht darauf, dass der alte Moor sich aus Gram und Entsetzen vom geliebten Erstgeborenen abwendet.Karl, Student in Leipzig, hat sich aus Ärger über die Schwächlinge eines "Kastratenjahrhunderts" zwar mit ein paar Kumpanen zu derben Scherzen hinreißen lassen, doch diese Zeit soll nun vorbei sein. In den Armen seiner geliebten Amalia (Nina Schopka) will er Ruhe finden und nach Hause zurückkehren. Umso heftiger fällt seine Reaktion auf die Verstoßung durch den Vater aus - er wird zum Hauptmann einer Räuberbande, die eine Spur der Gewalt und Zerstörung zurücklässt. So gründet sich auf den Trümmern der Enttäuschung eine nihilistische, zynische Sicht auf die Gesellschaft.

Friedrich Schiller lebt in seinem Erstlingswerk seinen Furor nicht nur in Beschwörungen unerfüllbarer Ideale aus. Er wirft einen sehr analytischen Blick auf die andere Seite, dorthin, wo zu große Menschenliebe in Menschenverachtung umschlägt. Seine "Räuber" liefern deshalb heute, gekoppelt an den Erfahrungsschatz einer über 200-jährigen Rezeptionsgeschichte, wesentliches Anschauungsmaterial darüber, wie die Psyche des Menschen sich empfänglich zeigt für die extremistische Rhetorik des Terrors und der Gewalt. HS

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