Ein Obwohl ist in allem Weil

Saarbrücken. Seit ein paar Monaten benutzt er einen Stock. Obwohl er trotz seiner 85 Jahre noch beneidenswert leichten Schrittes unterwegs ist, etwas betagteren Gazellen gleich. Naja, sagt er, ein ärztlicher Rat sei das gewesen. Jedenfalls sieht er mit Stock nun wie ein Weiser aus. Ein Phänomen ist dieser Roland Stigulinszky

Saarbrücken. Seit ein paar Monaten benutzt er einen Stock. Obwohl er trotz seiner 85 Jahre noch beneidenswert leichten Schrittes unterwegs ist, etwas betagteren Gazellen gleich. Naja, sagt er, ein ärztlicher Rat sei das gewesen. Jedenfalls sieht er mit Stock nun wie ein Weiser aus. Ein Phänomen ist dieser Roland Stigulinszky. Ungemein wach, dem Leben zugewandt, geistreich und anscheinend kein bisschen müde. "Sie machen's noch, bergauf, / die alten Knochen", heißt es in einem seiner neuen Gedichte - wie fast alle Gelegenheitsdichtungen Stigulinszkys im Verlag seiner Frau Bruni als Büchlein (des Lebens) herausgebracht, in dem er Lob und Beschwerden notiert hat und Natur-, Börsen-, Liebes- und Massenbetrachtungen bündelt."Elf vor zwölf" ist der kleine Band augenzwinkernd überschrieben - woraus alleine schon die Altersreife seines Autors spricht. "stig" - legendäres Kürzel des langjährigen Karikaturisten, Werbegrafikers und Satirikers - hat im Laufe seines Lebens zu viele Dramatisierungen erlebt, um nicht zu wissen, dass das "Fünf vor Zwölf"-Geschwafel im Regelfall genau das ist. "Des Lebens Lauf geht ewig rund", heißt es einmal in dem neuen Band, der Stigulinszkys schalkhafte und frivole Seite zum Tragen kommen lässt - und bisweilen auch (insbesondere in seinen "Afourismen") eine etwas vordergründig bleibende Sprachspielerei.

Daneben aber finden sich auch Gedichte, die einen sehr nachdenklichen, behutsam seine Worte setzenden Alltags- und Altersphilosophen zeigen. Etwa im schlichten Vierzeiler "In aller Freundschaft / bei aller Liebe / ist ein Obwohl / in allem Weil." Die berührendsten Texte sind jene, in denen der so lebenshungrige Stigulinszky auf den eigenen Lebensabend blickt, das Näherrücken von Sterben und Tod. "Das Warten, / was uns noch geschehen mag, / gleicht jedem Warten, / das vergeblich war. / Was nie geschah / hat Warte-Zeit verbraucht, / die uns nun fehlt: Die Zeit / geht an den Wartenden vorbei", heißt es in "Rückschlagklappe", einem der prägnantesten Texte. Wobei nichts typischer für diese kunstvolle Gebrauchslyrik ist als die heitere Abgeklärtheit und Leichtigkeit, mit der sie noch dem Unausweichlichsten begegnet. Sie können aber, das zeichnet "stig" aus, auch anders(herum). Dann wirkt ihr Memento mori wie ein Weckruf der Ahnungslosen: "Da sitzt ihr vergnügt / beim Wein und beim Schmaus, / da zieht ihr vergnügt euch / die Höslein aus - / doch letztlich läuft alles / aufs Sterben hinaus." cis

Roland Stigulinszky: Elf vor Zwölf. Gedichte und Binsenweisheiten. SCW-Auer-Sällef, 98 Seiten, 12 €

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