Ein knapper Sieg für die ökologische Vernunft

Brüssel. Stromfresser sind Klimakiller - und sie kosten eine Menge Geld. Bis zu 30 Prozent der Energiekosten, die in einem Haus oder einer Wohnung anfallen, könnten eingespart werden. Das entspräche immerhin einem Gegenwert von rund 45 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020, wie EU-Industriekommissar Günter Verheugen gestern vorrechnete

Brüssel. Stromfresser sind Klimakiller - und sie kosten eine Menge Geld. Bis zu 30 Prozent der Energiekosten, die in einem Haus oder einer Wohnung anfallen, könnten eingespart werden. Das entspräche immerhin einem Gegenwert von rund 45 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020, wie EU-Industriekommissar Günter Verheugen gestern vorrechnete. Brüssels Einkaufstipp heißt deshalb: Immer auf das Öko-Label achten, denn darunter steckt modernste Energiespar-Technik. Schon seit 2005 gilt die so genannte Ecodesign-Richtlinie für Elektrogeräte wie Waschmaschinen oder Computer. Gestern wurde ein Aktionsplan zu ihrer Erweiterung vorgestellt. Demnach werden erstmals auch solche Produkte mit dem Öko-Label gekennzeichnet, die "selbst keine Energie verbrauchen, aber einen substanziellen Beitrag zum Energiesparen leisten". Zum Beispiel Boiler, Duschköpfe und Doppelglasfenster, aber auch nachhaltig hergestellte Speisen oder Getränke. Zudem sagt Brüssel Stromfressern den Kampf an. Künftig dürfen nur noch solche Elektrogeräte verkauft werden, die im Standby-Betrieb höchstens ein Kilowatt Strom verbrauchen. Betroffen sind Computer, Drucker, Fernseher und Musikanlagen. Das Bemerkenswerteste an dem Maßnahmenpaket ist jedoch die Zurückhaltung der Kommission. Denn im Hintergrund hatte sie wochenlang darüber gestritten, ob nicht auch alltägliche Gebrauchsgegenstände wie Bekleidung, Schuhe oder Schränke mit einem Öko-Label versehen werden sollten. Hätte sich Umweltkommissar Stavros Dimas durchgesetzt, dann wäre das Dokument zu einem regelrechten Knebel für die Hersteller von Möbeln und Bekleidung geworden. Dimas wollte die Industrie nämlich zu umweltschonenden Verfahren zwingen - koste es, was es wolle. Und es hätte eine Menge gekostet: Ganze Warengruppen wären entweder aus dem Angebot verschwunden oder unerschwinglich teuer geworden. Vor allem Verheugen ist es zu verdanken, dass dieser Schritt zumindest aufgeschoben wurde. Den Mitgliedstaaten stellt Brüssel nun frei, ob und wie sie Anreize schaffen, um die Umstellung der Haushalte zu fördern. Das können Steuervergünstigungen ebenso sein wie direkte Förderungen. Ausdrücklich appellierten die drei Kommissare gestern an die öffentlichen Verwaltungen: Sie sollten ihre gesamte Materialbeschaffung so umstellen, dass künftig ausschließlich Produkte mit der grünen Öko-Blume der EU gekauft werden.Für die Hersteller bedeutet dies allerdings nicht mehr als eine Schonfrist, um ihre Produktion gemäß der strengen ökologischen Anforderungen selbst zu überprüfen. Das macht unter dem Aspekt des Klimaschutzes durchaus Sinn. Eine entsprechende Verpflichtung aus Brüssel hätte jedoch - zumindest zum jetzigen Zeitpunkt - zu einer völligen Verschiebung auf dem Markt geführt. Die Mehrzahl der Kunden hätte sich dann nur noch genau jene Produkte leisten können, die von Nicht-EU-Herstellern angeboten werden. Und das hätte weder dem Klimaschutz noch unserer Wirtschaft gedient.Der Fall ist ein weiteres Beispiel für den Sündenfall vieler Umweltpolitiker. Sie wollen einfach nicht verstehen, dass man Ökologie und Ökonomie so verträglich wie möglich zusammenführen muss, um Fortschritte zu erzielen. Unrealistische Zielvorgaben sind kontraproduktiv. Insofern ist die neue Öko-Label-Regelung gelungen - aber eben nur deshalb, weil sie nicht so ausfiel, wie sie eigentlich geplant war.

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