Ein Haus für blaue Pferde

Kochel. Das so genannte "Blauen Land", die Seen-Landschaft zwischen Starnberg, Murnau und Kochel mit Blick auf die Alpenkette, faszinierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele Künstler. Wassily Kandinsky und Gabriele Münter, Alexej Jawlensky und Marianne Werefkin, Paul Klee, August Macke und Franz Marc sind nur einige von ihnen

Kochel. Das so genannte "Blauen Land", die Seen-Landschaft zwischen Starnberg, Murnau und Kochel mit Blick auf die Alpenkette, faszinierte zu Beginn des 20. Jahrhunderts viele Künstler. Wassily Kandinsky und Gabriele Münter, Alexej Jawlensky und Marianne Werefkin, Paul Klee, August Macke und Franz Marc sind nur einige von ihnen. Sie prägen eine kurze Zeit des künstlerischen Aufbruchs, jäh durchschnitten vom Ersten Weltkrieg. Ihre Werke sind nun vereint in einem Museum, dessen Panoramafenster die Ausblicke in die Natur einrahmen. Franz Marc verlebte Kindheitstage in der Gegend, wohnte hier ab 1908 und erwarb 1914 eine kleine Villa für sich und seine Familie - das Häuschen wurde 1986 als Museum eingerichtet. Wer die dunklen, engen Stuben mit den knarrenden Holzdielen betrat, der konnte erleben, wie ein einziges Bild ein ganzes Zimmer erleuchtet hat - etwa die "Hocken im Schnee" von 1911: Die aufgetürmten Berge des Moor-Grases versinken wie rote und grüne Früchte in einem Meer aus Schnee. Jetzt hängt dieses Werk, zusammen mit 180 weiteren Exponaten, im neuen Museumskubus der Schweizer Architekten Diethelm & Spillmann. Die alte Villa gleich nebenan beherbergt nur noch Verwaltungsräume und ein Restaurant, das natürlich "Zum blauen Reiter" heißen muss. Diesen Namen der Künstlervereinigung erfanden Marc und Kandinsky 1912 an einem Nachmittag am Kaffeetisch. Viele Pferde und Rehe, die Marc gemalt und gezeichnet hat, verteilen sich nun in luftiger Hängung in den schlichten, klar gegliederten Ausstellungsräumen auf drei Etagen. Selbst der "Turm der blauen Pferde", eine kleine Bleistiftzeichnung, kam als jüngste Schenkung in die Sammlung - und die künstlerische Direktorin Cathrin Klingsöhr-Leroy nennt das Blatt stolz "eine Ikone aus dem Werk Franz Marcs".

Der Name des Museums ist fast ein wenig irreführend, denn das neue Haus ist nicht Marc allein gewidmet. Vielmehr stehen die Arbeiten der wichtigsten Vertreter des "Blauen Reiters" im Dialog mit Werken der Künstlervereinigung "Die Brücke", die 1905 in Dresden gegründet wurde. Damit sind auch Ernst Ludwig Kirchner, Erich Heckel, Karl Schmidt-Rottluff, Otto Mueller, Max Pechstein und Einzelgänger wie Emil Nolde und Egon Schiele vertreten. Weil aber die Suche nach "dem Geistigen in der Kunst" sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Gruppe "ZEN 49" fortsetzte, weitet sich der Rundgang durch die 700 Quadratmeter Ausstellungsfläche bis hin zu Rupprecht Geiger und seinen farbintensiven abstrakten Formstudien.

Zusammengetragen wurde die Sammlung von dem Ehepaar Etta und Otto Stangl, das auch die Erweiterung des Museums durch eine Stiftung finanzierte. Es ist ein privates Museum, das hier für 6,5 Millionen Euro inmitten einer Landschaft errichtet wurde, die heute stark vom Tourismus geprägt ist. Jährliche Wechselausstellungen sollen die rund zweitausend Werke, die das Haus besitzt, im Turnus vorstellen - ähnlich wie das im Nolde-Museum in Seebüll an der Nordsee praktiziert wird. Dadurch werden kostbare Blätter auf Papier geschont, und es lohnt sich auch ein erneuter Besuch, weil sich immer neue Facetten eröffnen - der Schwerpunkt der Eröffnungsschau liegt auf Paul Klee.

Geöffnet täglich außer montags, April bis Oktober 10 bis 18 Uhr, November bis März 10 bis 17 Uhr.

 Im Franz-Marc-Museum zu bestaunen: "Springendes Pferd" von 1912 Fotos: Franz Marc Museum

Im Franz-Marc-Museum zu bestaunen: "Springendes Pferd" von 1912 Fotos: Franz Marc Museum

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