Ein Diplomat soll die Kurie in den Griff kriegen

Vatikanstadt · Fünfeinhalb Monate nach seiner Wahl hat Papst Franziskus die vermutlich wichtigste Personalentscheidung seines Pontifikats getroffen. Er machte – etwas überraschend – den erst 58-jährigen Vatikan-Diplomaten Pietro Parolin zu seinem neuen Staatssekretär und damit zu seinem engsten Mitarbeiter.

Franziskus nahm zugleich den Rücktritt von Kardinal Tarciso Bertone (78) an, in dessen siebenjähriger Amtszeit es aufgrund ungenügender Koordination wiederholt zu Komplikationen an der Kurienspitze gekommen war - etwa in der Affäre um den Holocaustleugner und damaligen Bischof der Piusbrüder, Richard Williamson. Der offizielle Amtswechsel erfolgt mit einer Sonder audienz am 15. Oktober.

Nach dem profilierten Theologen Bertone hat Franziskus nun einen gelernten Diplomaten mit der Leitung der wichtigsten vatikanischen Behörde beauftragt. Als "Alter Ego" des Papstes ist Parolin künftig dafür verantwortlich, dass der Kurienapparat effizient und reibungslos läuft.

Parolin gilt trotz seines vergleichsweise jungen Alters als einer der erfahrensten Diplomaten des Heiligen Stuhls, dessen politische Linie er bereits zwischen 2002 und 2009 als stellvertretender Außenminister mitbestimmte. Er leitete die komplizierten vatikanischen Verhandlungen mit Israel, aber auch mit Vietnam. Er knüpfte Kontakte zur Volksrepublik China, als Papst Benedikt XVI. 2007 einen neuen Anlauf zur Annäherung an die Großmacht wagte. Er verhandelte mit russischen Diplomaten, als die Errichtung katholischer Diözesen in Moskau und drei anderen Städten eine neue Eiszeit auslöste. Er gehörte zu den engsten Beratern von Johannes Paul II., als dieser zu Jahresbeginn 2003 einen neuen Irakkrieg zu vermeiden suchte. Und bekleidete zuletzt den schwierigen Botschafterposten in Venezuela.

Dass der Papst aus Lateinamerika einen Italiener als Staatssekretär ernennen würde, dafür sprach vieles. Zudem lag nahe, dass Franziskus, für den die römische Kurie zu Dienstbeginn Neuland war, dafür einen erfahrenen Mann des Apparats wählen würde. Auch wenn der am 17. Januar 1955 im norditalienischen Schiavon bei Vicenza geborene Parolin in den vergangenen vier Jahren in Caracas lebte, ist er an die Kurie bestens vernetzt. Auf Zuarbeit ist der neue mächtige Mann des Vatikan, der persönlich bescheiden und unprätentiös auftritt, dringend angewiesen. Er muss den Apparat in den Griff bekommen, was dem Seiteneinsteiger Bertone nicht immer überzeugend gelang.

Franziskus löst mit der Berufung eines neuen Staatssekretärs eine Bitte und Vorgabe der Kardinäle aus dem Vorkonklave vom vergangenen März ein. Die Kardinäle hatten sich unzufrieden über manches Agieren an der Vatikanspitze geäußert und eine Kurienreform angeregt. Zu diesem Zweck hat Franziskus bereits eine aus acht Mitgliedern bestehende Kardinalskommission berufen. Anfang Oktober wird diese Gruppe, der auch der Münchener Kardinal Reinhard Marx angehört, zusammentreten. Dabei wird es sicher auch um die künftige Rolle des Staatssekretariats gehen, das sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer vatikanischen Superbehörde entwickelt hatte.

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