Ein Blick zurück auf die ersten 70 Jahre Kino

Saarbrücken · Eine Zeitschrift über die Anfangsjahre des Kinos? Mit Filmen und Künstlern, die jüngere Leute nicht kennen? „35 Millimeter“ aus Dudweiler ist ein ehrgeiziges Unterfangen auf einem schwierigen Markt. Wir haben darüber mit Chefredakteur Jörg Mathieu gesprochen.

 Ein Plakat zum Klassiker „Das Cabinet des Dr. Caligari“, dem Schwerpunkt der ersten Ausgabe des Magazins. Fotos: 35 Millimeter

Ein Plakat zum Klassiker „Das Cabinet des Dr. Caligari“, dem Schwerpunkt der ersten Ausgabe des Magazins. Fotos: 35 Millimeter

 Jörg Mathieu

Jörg Mathieu

 Ausgabe Nummer vier, die Mitte August erscheint.

Ausgabe Nummer vier, die Mitte August erscheint.

Große, weiträumig kajalumschminkte Augen starren von der Titelseite der ersten Ausgabe von "35 Millimeter" - es ist der Schlafwandler aus "Das Cabinet des Dr. Caligari", einem der großen Klassiker des deutschen Stummfilms. Aber kennt den heute noch jemand unter 40? Eher nicht. Und genau da will die ambitionierte Zeitschrift ansetzen und das klassische Film-Erbe pflegen - mit dem Konzept, die ersten 70 Jahre Kinogeschichte zu beleuchten, zwischen 1895 und 1965.

Drei Ausgaben sind bisher im zweimonatigen Turnus erschienen, jeweils knapp 40 Seiten lang, für 3,50 Euro: mit Poster, Sammelkarte und Texten über den Film noir, die Kunst des Filmplakats, George Méliès, Billy Wilder , Fritz Lang , Alain Resnais und Max Ophüls . Dazu kommen Interviews etwa mit dem Filmjournalisten Rüdiger Suchsland über das Kino der Weimarer Republik und mit Anke Wilkening, Restauratorin der Friedrich-Wilhelm-Murnau- Stiftung, die die Rechte an vielen deutschen Stumm- und frühen Tonfilmen besitzt. Dazu bietet "35 Millimeter" DVD-Kritiken und Rubriken wie "Der vergessene Film", die Werke im Schatten der Kinogeschichte vorstellt. Insgesamt ein gutes, liebevoll dargebrachtes Angebot. Doch ist mit diesem Konzept eine wirtschaftliche Nische zu finden? "Nun, ich werde oft gefragt, ob meine Zielgruppe nicht langsam weg-stirbt", sagt der Dudweiler Chefredakteur Jörg Mathieu. "Aber wir wenden uns ja durchaus an junge Leser." Mathieu ist mit 45 mit der Älteste in seiner 13-köpfigen Redaktion aus Studenten und Filmfans, der Jüngste ist 19. "Wenn man mit jungen Leuten über Kino redet, merkt man bei den meisten, dass die von alten Filmen gar nichts wissen. Alles droht in Vergessenheit zu geraten - dagegen wollen wir etwas tun."

Mathieu hat unter anderem beim Saarbrücker Magazin "Multi Mania" über Filme , PC-Spiele, Bücher und Comics gearbeitet und dann "Papaya" herausgegeben, eine Zeitschrift zum Familienrecht, die Ende 2013 eingestellt wurde. "35 Millimeter" ist nun ein ehrgeiziger Versuch in vorerst kleinem Rahmen. 500 Stück betrug die Auflage der ersten Hefte, Ausgabe eins aus dem April ist gerade ausverkauft. Aber Geld verdient man bei diesen Zahlen nicht, auch wenn die Autoren ohne Honorare schreiben - aus filmischem Idealismus, aber auch, sagt Mathieu, fürs Renommee, etwas Gedrucktes zu veröffentlichen.

Das nächste Heft hat schon eine Auflage von 1000, verkauft wird es im sogenannten Eigenvertrieb - was bedeutet, dass die Hefte in Mathieus Dudweiler Keller liegen und er die bestellten Exemplare zur Post bringt. Gerade im Saarland ist die Nachfrage nach Abonnements noch überschaubar, sagt der Verleger/Chefredakteur, ansonsten versendet er nach Deutschland, Österreich, in die Schweiz - und auch ein Exemplar nach Schweden. "Ein schwedisches Filminstitut wollte ein Abo haben, nachdem wir einen Text über Ingmar Bergman im Heft hatten."

In Läden ist "35 Millimeter" bisher nicht zu finden, "unter einer Auflage von 10 000 Stück fängt der Kiosk-Vertrieb erst gar nicht an, da hat man keine Chance". Das Magazin digital zu vertreiben, war keine Option. "Das funktioniert nicht - da kauft einer das Heft als pdf-Datei und schickt es an zehn Freunde weiter", sagt Mathieu und verweist auf die Filmzeitschrift "Splatting Image": Die hatte nach 24 Jahren ihre gedruckten Ausgaben aufgegeben und aufs Digitale gesetzt - ohne Glück. Jetzt versucht man es wieder mit Print.

Mathieu selbst ist zuversichtlich, was "35 Millimeter" angeht. Das Anzeigengeschäft sei zwar noch ausbaufähig, aber die Rückmeldungen beim Facebook-Auftritt des Magazins steigern sich deutlich. Das Ziel, jüngere Leser anzusprechen, werde erreicht. "Die Kurve geht nach oben", sagt er. "Sonst könnten wir auch nicht weitermachen." Mitte August erscheint das nächste Heft: mit Texten über Vampire im Kino, Andrej Tarkowskis Frühwerk und einer Nachlese der japanischen Filmtage in Saarbrücken .

35mm-retrofilmmagazin.de

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