„Ein bisschen Spektakel muss sein“

Bayreuth · Regisseur Sebastian Baumgarten hat am Freitag mit seiner Bayreuther „Tannhäuser“-Inszenierung Festspielgeschichte geschrieben. Ob ihn das freuen wird, ist jedoch fraglich. Wegen einer Panne, musste die Aufführung unterbrochen werden.

Die "Tannhäuser"-Inszenierung von Regisseur Sebastian Baumgarten wird in die Geschichte der Bayreuther Festspiele eingehen. Soviel ist seit Freitagabend klar. Ärgerlich für den Regisseur ist nur, dass das mit seiner Interpretation von Richard Wagners berühmtem Sängerkrieg nur sehr bedingt zu tun hat. Weil ein Käfig, der den Venusberg darstellen soll, sich in der ersten Szene nicht hochfahren ließ, musste ausgerechnet die Eröffnungspremiere fast eine Stunde lang unterbrochen werden. Eine einzigartige Panne auf dem Grünen Hügel. Fast 170 Jahre nach der Uraufführung in Dresden eine "Weltpremiere", wie Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU ) sagte: Ein "Tannhäuser" mit drei Pausen.

Auch wenn die Zuschauer die Panne mit Humor nahmen: Baumgartens "Tannhäuser" hatte es von Anfang an nicht leicht. Im Premierenjahr 2011 wurde die Inszenierung, die in einer Biogasanlage spielt, gnadenlos niedergebuht und verrissen. Mit Dirigent Thomas Hengelbrock kam kein Vertrag für das zweite Jahr zustande, also sprang Christian Thielemann ein, bevor für Jahr drei und vier Axel Kober verpflichtet wurde, der als gebürtiger Kronacher fast ein Heimspiel hatte. Inzwischen ist klar, dass Baumgartens "Tannhäuser" 2015 vom Bayreuther Spielplan weichen muss - nach verhältnismäßig kurzer Zeit. Hans Neuenfels' Ratten-"Lohengrin" ist älter - und darf bleiben.

Dass ausgerechnet in seinem letzten Jahr in Bayreuth , in dem der "Tannhäuser" auch noch die Festspiele eröffnen durfte, die Technik versagt, hat fast tragische Komik. Mitleid mit dem Regisseur hatte das Publikum trotzdem nicht. Wieder musste Baumgarten ein Buh-Konzert über sich ergehen lassen. Gefeiert wurden dagegen der Chor (Leitung: Eberhard Friedrich), Markus Eiche als Wolfram von Eschenbach und Camilla Nylund als Elisabeth. Der Applaus für Torsten Kerl als Tannhäuser fiel gedämpfter aus.

Baumgarten hatte an der umstrittenen Inszenierung nicht viel geändert - bis auf die erzwungene Improvisation zu Beginn. Dabei konnte der defekte Venusberg in Form eines Affenkäfigs nicht mehr in die Höhe gefahren werden und Tannhäuser musste Venus (Michelle Breedt) auf dem Boden der Tatsachen klar machen, dass er sie verlassen und in die echte Welt zurückkehren will. Die Hoffnung einiger Zuschauer, die oft verspotteten Spermien-Kostüme, in denen bedauernswerte Statisten über die Bühne robben müssen, könnten bei der Panne in Mitleidenschaft gezogen worden sein, zerschlug sich. Auch diesmal musste sich das Publikum ansehen, wie der junge Hirt (Katja Stuber) betrunken über die Bühne torkelt und Usain Bolt imitiert oder wie die schwangere Venus beim Sängerwettstreit auf der Wartburg auftaucht und Balztänze vollführt. Auch die Frage, warum genau die Wartburg eine Biogasanlage sein soll, beantwortete die Inszenierung nicht.

Doch auch wenn die Panne die Festspielleitung in Aufregung versetzt haben dürfte, ein Gutes hatte sie doch für Katharina Wagner und Eva Wagner-Pasquier. Die Panne übertönte sogar das Hick-Hack mit und um "Ring"-Regisseur Frank Castorf, der auch am Rande der Premiere noch einmal seinem Ärger süffisant Luft gemacht hatte. Er rede natürlich noch mit den Wagner-Schwestern, sagte er. Allerdings werde er, wenn im kommenden Jahr versucht werde, Einfluss auf seinen "Ring" zu nehmen, Konsequenzen ziehen müssen. Wie sagte Kulturstaatsministerin Grütters noch gleich: "Ein bisschen Spektakel muss sein auf dem Grünen Hügel."

Castorfs umstrittener "Ring" startete übrigens gestern Abend mit dem "Rheingold". Zuvor, am Samstag, gab's Jan Philipp Glogers "Fliegenden Holländer", der im Premierenjahr 2012 noch mit einem Buh-Konzert bedacht, dieses Jahr aber freundlich bejubelt wurde. Es lag wohl am direkten Vergleich zum Biogasanlagen-Tannhäuser und Castorf-"Ring". Dagegen ist Gloger geradezu werktreu. Das Publikum goutierte es.

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