Edeka darf Tengelmann übernehmen

Berlin · Beifall von den Linken, Kritik aus der Union: Wirtschaftsminister Gabriel will die Übernahme von Kaiser's/Tengelmann-Filialen durch Edeka billigen, wenn fast alle der 16 000 Jobs für sieben Jahre sicher sind.

Eigentlich wollte Sigmar Gabriel die fast 16 000 Menschen, die jeden Tag an der Kasse oder im Lager für Kaiser's Tengelmann arbeiten, noch vor Weihnachten mit der frohen Kunde beschenken. Ihm war bewusst, wie sehr die monatelange Hängepartie im Übernahmekampf an den Nerven der Beschäftigten und deren Familien zehrte. Dann aber brauchten Gabriels Juristen doch noch ein paar Tage länger, um den Vorschlag des Ministers wasserdicht zu machen. Gestern Nachmittag ist es dann soweit. Gabriel verkündet, dass er im Fall Edeka/Kaiser's Tengelmann die schärfste Waffe einsetzen will, die er beim Wettbewerbsrecht in seinem Arsenal hat: Per Ministererlaubnis will Gabriel Deutschlands größtem Lebensmittelhändler Edeka erlauben, sich die etwa 450 Läden der chronisch defizitären Kaiser's-Tengelmann-Kette einzuverleiben.

Jed och nur unter Auflagen - eine Ministererlaubnis mit "aufschiebenden Bedingungen". Schluckt Edeka die Bedingungen für das Ja, können die Arbeitnehmer erst einmal aufatmen. Der Vize-Kanzler und SPD-Chef würde dann das ihm unterstellte Bundeskartellamt überstimmen. Die Wettbewerbshüter hatten sich quergestellt, weil Edeka, Rewe, die Schwarz-Gruppe (Lidl , Kaufland ) und Aldi zusammen 85 Prozent des Marktes beherrsche n.

Die Erlaubnis für die umstrittene Fusion ist nicht ohne Risiko für den Wirtschaftsminister . Einer von Gabriels Amtsvorgängern, der parteilose Ex-Energiemanager Werner Müller , handelte sich beißende Kritik ein, als in seiner Amtszeit dem Energieriesen Eon per Sondergenehmigung der Weg für den Kauf des Gasversorgers Ruhrgas freigeräumt wurde. Auch jetzt ist nicht ausgeschlossen, dass Edeka-Konkurrenten wie Rewe gegen die Erlaubnis klagen.

Kritik an der Entscheidung hagelt es selbst vom Koalitionspartner. Die Fusion wäre kein gutes Zeichen für den Wettbewerb, wettert Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus. Dies sei weder für Konsumenten noch Lieferanten gut, kritisiert der CDU-Mann und verweist auf die Einkaufsmacht immer weniger Ketten. Die mit der Fusion erhoffte Arbeitsplatzsicherung könne "auf lange Sicht" nicht wirklich gewährleistet werden. Grünen-Chefin Simone Peter bläst ins gleiche Horn: Die Konzentration im Einzelhandel gehe zulasten des Wettbewerbs und der Wahlfreiheit der Konsumenten. Ungewohnter Beifall kommt dagegen von der Links-Partei, die Gabriels Einsatz für die Kaiser's-Jobs lobt.

Es sei wichtig, Tausenden Beschäftigten Sicherheit zu geben, sagte Gabriel. Ihnen fühle er sich verpflichtet. Stundenlang war er bei der öffentlichen Anhörung dabei, als die Bosse der Handelskonzerne ihre Argumente für und gegen die Edeka/Kaiser's Tengelmann-Fusion vortrugen. Der Edeka-Chef hatte als einzige Alternative die Zerschlagung in Aussicht gestellt. Das wollte Gabriel verhindern, zugleich aber weitergehende Forderungen der Betriebsräte und Gewerkschaften zur Bedingung der Übernahme machen. Die Arbeitnehmervertreter wollen das Tarifsystem erhalten und betriebsratsfreie Strukturen verhindern. Sie monierten unsichere Betriebsvereinbarungen und die drohende Schließung von Fleischwerken. Und sie befürchteten, dass die Kaiser's-Supermärkte rasch an selbstständige Kaufleute übergehen könnten. Diese Punkte wären vom Tisch, wenn Edeka das Gabriel-Korsett akzeptiert. Zumindest für sieben Jahre wäre der Großteil der 16 000 Jobs bei Kaiser's Tengelmann sicher. "Es gibt keine Hintertür", glaubt Gabriel.

Meinung:

Kein Fall für einen Sonderweg

Von SZ-KorrespondentWerner Kolhoff

Gabriels Bedingungen für eine Sondererlaubnis zur Fusion der Supermarktkette Kaiser's Tengelmann mit dem Marktgiganten Edeka sind beachtlich. Es geht dem Wirtschaftsminister um die Sicherung von Tausenden Arbeitsplätzen. Aber wenn Edeka sich darauf einlässt, beweist das nur das unbändige Interesse des Unternehmens, durch die Fusion noch marktbeherrschender zu werden. Man hofft, als Monopolist die Preise der Zulieferer noch mehr drücken und sie in manchen Regionen für die Konsumenten erhöhen zu können. Irgendwer bezahlt eben immer, wenn es an Wettbewerb fehlt. Dieser Fall ist einen solchen Eingriff, wie ihn eine Ministererlaubnis darstellt, nicht wert. Zumal bei einem Verkauf der 450 Kaiser's-Filialen an Edeka-Konkurrenten viele der 16 000 Jobs ebenfalls erhalten bleiben könnten.

Zum Thema:

HintergrundEdeka darf die Kaiser's Tengelmann nur übernehmen, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind: - Erhalt von nahezu allen 16 000 Arbeitsplätzen bei Kaiser's Tengelmann. Edeka darf nur weniger als fünf Prozent der Stellen kürzen. - Fünf Jahre lang darf Edeka keine Filialen an selbstständige Händler verkaufen. Auch danach soll bei der Übergabe einer Filiale an selbstständige Einzelhändler für zwei Jahre auf betriebsbedingte Kündigungen verzichtet werden. - Edeka muss für alle betroffenen Regionen Tarifverträge mit den Gewerkschaften Verdi und Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) abschließen. - Die Birkenhof-Fleischwerke, die Edeka habe schließen wollen, müssen drei Jahre lang erhalten werden. 21 Anträge auf eine Ministererlaubnis gab es laut Bundesregierung bisher. Achtmal wurde sie erteilt und sechsmal verweigert. In sieben Fällen zogen die Firmen ihren Antrag zurück. dpa

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort