Drohung aus Teheran

Meinung · Manche Bundesbürger werden sagen: Was geht uns der Iran an? Ein fernes islamisches Land, dessen Machthaber in einer anderen Welt leben! Weit gefehlt: Der Iran liegt näher, als uns lieb sein kann. Das Land ist ein wichtiger Handelspartner Deutschlands. Der Iran versteht sich als Hauptfeind Israels, ist ein Machtfaktor im Nahen Osten und bastelt an der Atombombe

Manche Bundesbürger werden sagen: Was geht uns der Iran an? Ein fernes islamisches Land, dessen Machthaber in einer anderen Welt leben! Weit gefehlt: Der Iran liegt näher, als uns lieb sein kann. Das Land ist ein wichtiger Handelspartner Deutschlands. Der Iran versteht sich als Hauptfeind Israels, ist ein Machtfaktor im Nahen Osten und bastelt an der Atombombe. Deshalb darf uns auch die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad, seit vier Jahren bereits das (unsympathische) Gesicht der alten persischen Kulturnation, nicht gleichgültig sein. Nach offizieller Darstellung hat der Eiferer von Teheran die Wahl vom vergangenen Freitag gewonnen. Ob mit massiver oder "nur" mit ein bisschen Wahlfälschung, ist unbekannt. Es wird sich in diesem semi-diktatorischen System auch schwer beweisen lassen. Fest steht, dass die herrschenden Machtstrukturen im Iran weiter gefestigt wurden und die Opposition allenfalls als demokratisches Feigenblatt noch geduldet ist. Die Hoffnungen des Westens - insbesondere Israels, das sich vom Iran bedroht sieht - haben getrogen. Vielleicht war es ein Stück Wunschdenken, dass die ausländischen Betrachter der iranischen Lebenswelt und des Wahlkampfs den Eindruck gewannen, der liberalere Herausforderer Mir-Hossein Mussawi habe durchaus eine Siegeschance. Tatsächlich sendeten die Korrespondenten aber vor allem Bilder aus der Hauptstadt Teheran, wo ein aufgeklärteres und selbstbewussteres Bürgertum Anlass zur Annahme gab, die Menschen im Iran lechzten nach Freiheit und westlichen Werten. Dem ist offenbar nicht so: Vielmehr spricht einiges dafür, dass sich die religiöse und oftmals arme Landbevölkerung bei dem Fundamentalisten Ahmadinedschad besser aufgehoben fühlt als bei seinem eher intellektuellen Rivalen Mussawi. Dem Westen bleibt nun nichts übrig, als sich mit den Fakten zu arrangieren. Das wird schwer, zumal damit zu rechnen ist, dass sich die fromme Clique um den "Irren von Teheran" (Springer-Presse) nun erst recht legitimiert fühlt, Allahs angeblichen Willen politisch umzusetzen und weiter mit dem atomaren Feuer zu spielen. Ahmadinedschads Ankündigung einer "neuen Ära" muss jedenfalls als Drohung verstanden werden. Unruhen und Verhaftungen nach der Wahl zeigen zudem, dass die freiheitlichen Kräfte und Regierungsgegner nun noch stärker die Brutalität eines Regimes zu spüren bekommen, das sich wie alle totalitären Systeme gern auf höhere Mächte beruft. Schade: Die Welt kann nicht aufatmen, im Gegenteil. Es ist gar zu befürchten, dass sich die Lage im Pulverfass Nahost weiter zuspitzt.

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