Drei Freisprüche, einmal lebenslang

Istanbul. Ein türkisches Gericht hat die im Exil lebende Schriftstellerin Pinar Selek in einem international umstrittenen Verfahren zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Entscheidung sei am Donnerstag verkündet worden, berichteten türkische Fernsehsender

Istanbul. Ein türkisches Gericht hat die im Exil lebende Schriftstellerin Pinar Selek in einem international umstrittenen Verfahren zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Entscheidung sei am Donnerstag verkündet worden, berichteten türkische Fernsehsender. Die Schriftstellervereinigung PEN-Zentrum Deutschland erklärte: "Wir protestieren aufs Schärfste gegen diese Gerichtsentscheidung, die massive Zweifel an der Rechtsstaatlichkeit der Türkei nährt."Der türkischen Soziologin, die zeitweise in Deutschland lebte, war vorgeworfen worden, 1998 an einem Sprengstoffanschlag auf einen Markt in Istanbul beteiligt gewesen zu sein. Die Vorgänge sind weiter heftig umstritten, auch weil Gutachter einen Unfall mit einer Gasexplosion für wahrscheinlich hielten. Bei der Explosion waren damals sieben Menschen umgekommen. Selek wurde festgenommen, als Bombenlegerin angeklagt und zweieinhalb Jahre inhaftiert. Nach eigenen Angaben wurde sie damals schwer misshandelt.

Istanbuler Richter hatten sich 2001, 2006 und 2011 für Freisprüche in dem Prozess entschieden. Das Oberste Gericht hatte diese Entscheidungen jeweils aufgehoben. Menschenrechtler sprechen von einem politisch motivierten Verfahren, denn Selek beschäftigt sich seit Jahren mit der Kurdenproblematik, der Minderheitenpolitik und den Geschlechterrollen in der Türkei. Sie lebt inzwischen im französischen Straßburg und erwägt, in Frankreich politisches Asyl zu beantragen.

Am Donnerstag gab es am Rande des Prozesses in Istanbul erneut Proteste gegen das Verfahren. Der deutsche Journalist Günter Wallraff, der als Beobachter angereist war, sprach von einem "Willkürurteil erster Güte". Der Richterspruch "in einem kafkaesken Verfahren" dürfe nicht das letzte Wort sein, so die Grünen-Politiker Claudia Roth und Cem Özdemir. Der Fall müsse vor den EU-Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. dpa

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