Die Wut wächst über Dauerherrscher Putin

Moskau. Dauerdruck auf die Opposition und verschärfte Gesetze: Ein Jahr nach Wladimir Putins Wiederwahl zum Kremlchef beklagen Bürgerrechtler Repressionen fast wie zu Sowjetzeiten. "Ein riesiger Spalt klafft zwischen Führung und Volk", meint zum Beispiel der Politologe Dmitri Oreschkin. Seit der von heftigen Protesten überschatteten Wahl am 4

Moskau. Dauerdruck auf die Opposition und verschärfte Gesetze: Ein Jahr nach Wladimir Putins Wiederwahl zum Kremlchef beklagen Bürgerrechtler Repressionen fast wie zu Sowjetzeiten. "Ein riesiger Spalt klafft zwischen Führung und Volk", meint zum Beispiel der Politologe Dmitri Oreschkin. Seit der von heftigen Protesten überschatteten Wahl am 4. März 2012 seien die "Fronten verhärtet wie im Krieg".Trotz Schnee und Kälte gingen auch am Wochenende Hunderte Oppositionsanhänger in Moskau und St. Petersburg auf die Straße. Der Frust in Russlands Gesellschaft sitzt tief über die dritte Amtszeit des Dauerherrschers. "Die Leute sind sauer, dass sich Putin mehr um einen russischen Pass für den Gérard Depardieu kümmert als um sie", sagt der Politologe Boris Makarenko. Die Wut der Demonstranten richtet sich auch gegen das von Putin unterzeichnete Adoptionsverbot russischer Waisen durch US-Bürger. Auf Plakaten fordern meist Jugendliche zudem Freiheit für zwei inhaftierte Aktivistinnen der Punkband Pussy Riot.

Kritik prallt an den Mauern des Kreml aber ab. Er müsse an seiner Amtsführung "nichts korrigieren", sagt Putin. "Keinesfalls" gebe es in Russland gezielt Menschenrechtsverstöße, betont er. Mit dem zweitbesten Wahlergebnis seiner Karriere, fast 64 Prozent der Stimmen, war er ins Präsidentenamt zurückgekehrt. Nicht wenige gehen davon aus, dass Putin 2018 wieder antritt und bis mindestens 2024 regiert. Das wäre sogar länger als der "ewige" Leonid Breschnew, der 18 Jahre im Kreml amtierte. Gleichwohl bezweifeln Experten, dass eine vierte Amtszeit ein "Selbstgänger" wäre. Denn der Druck einer wachsenden Mittelschicht, die Freiheiten fordert, steigt. "Die russische Gesellschaft sehnt sich nach neuen Gesichtern im politischen Leben des Landes", schreibt die Zeitung "Nesawissimaja Gaseta". Diese Hoffnungen gingen nach dem Urnengang 2012 aber nicht in Erfüllung. "Putin hat die Veränderungen zwar nicht übersehen, aber er reagiert auf seine Art: einsam und hart", kommentiert das Blatt.

In Umfragen rutschen die Popularitätswerte für den 60-Jährigen nach unten. "Er ist zwar weiter der beliebteste und mächtigste Politiker Russlands, hat beim Volk aber den Nimbus als Heilsbringer verloren", sagt Valeri Fjodorow vom Meinungsforschungsinstitut Wziom. Einer der Gründe sei, dass der Präsident "seinen Ton und die Gesetze verschärft" habe.

Auch Putins ökonomische Bilanz nach einem Jahr ist mäßig. Zwar besitzt die Energiegroßmacht die drittgrößten Währungsreserven der Welt, aber die Auslandsverschuldung ist weiter enorm. Unternehmer stöhnen über Bürokratie und Korruption. Im Vorjahr sank die Zahl ausländischer Investitionen in Russland gegenüber 2011 um 18,9 Prozent. Gleichzeitig floss Kapital in Höhe von 56,8 Milliarden US-Dollar aus Russland ab.

International sieht sich Putin ebenfalls massiver Kritik ausgesetzt. Westliche Experten beklagen, dass Moskau als Partner der Führung in Damaskus eine Lösung im Syrien-Konflikt blockiere. Alexej Malaschenko vom Moskauer Carnegie-Zentrum wirft dem Kremlchef eine "grundsätzlich falsche Strategie" vor. Putin überlasse anderen Ländern die Führung und treibe stattdessen die Wiederherstellung der 1991 zerfallenen Sowjetunion voran. "Back in the USSR" sei aber kein tragfähiges Konzept.

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