Die Werte der Republik

Den Kalaschnikows der Angreifer will François Hollande die nationale Einheit entgegensetzen. Das Zusammenstehen der Franzosen als Waffe gegen die brutale Gewalt der Attentäter, die am Mittwoch beim Überfall auf die Satirezeitung "Charlie Hebdo" zwölf Menschen töteten.

"Vive la république" - es lebe die Republik : In diesen Zeiten ist das viel mehr als eine Formel, wie sie der Präsident am Ende jeder Ansprache verwendet. Es ist ein inbrünstiger Wunsch angesichts der Befürchtung, dass es das altvertraute Frankreich womöglich gar nicht mehr gibt.

Die Werte der Republik - Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit - scheinen nicht mehr zu passen in eine Zeit, in der etwa der wegen Rassismus verurteilte Journalist Eric Zemmour offen die Ausweisung der fünf Millionen Muslime fordert. Und mit seinem Buch "Der französische Selbstmord" einen Bestseller landet. Den Niedergang Frankreichs erklärt Zemmour darin mit der Einwanderung, vor allem von Muslimen. Die Gefahr ist groß, dass Hetzer wie er nun noch mehr Zulauf bekommen.

Auch wenn Politiker vernehmbar zur Besonnenheit mahnten, wurden kurze Zeit nach dem Attentat Gebetssäle und Moscheen angegriffen. Schon im vergangenen Jahr hatten die islamfeindlichen Attacken in Frankreich um 30 Prozent zugenommen. Die Zahl der antisemitischen Übergriffe stieg sogar um 50 Prozent. Tausende Juden verlassen das Land in Richtung Israel. Immer mehr Juden und Muslime scheinen sich in der Republik des Jahres 2015 nicht mehr zu Hause zu fühlen. Dabei hat Frankreich sowohl die größte jüdische als auch die größte muslimische Gemeinde in ganz Europa.

Das Attentat vom 7. Januar wird das Land verändern. Vielleicht sogar so stark, wie der 11. September die Vereinigten Staaten veränderte. Dass wie in den USA eine Sicherheitsdebatte einsetzt, ist unausweichlich. Sie hat bereits begonnen mit der Forderung der Rechtspopulistin Marine Le Pen nach Wiedereinführung der Todesstrafe.

Doch in welche Richtung geht das Land langfristig? Schlägt es den Weg Le Pens ein, die sich gegen die "Masseneinwanderung" wendet, gegen betende Muslime auf französischen Straßen und nach islamischen Riten geschlachtetes Fleisch in Schulen? Die das Kopftuchverbot, das in den Schulen gilt, am liebsten auf das gesamte öffentliche Leben ausweiten würde? Oder besinnt sich Frankreich endlich wieder auf die Werte der Republik ? Fängt es an, die Einwanderer in den Vorstädten zu integrieren, sie auszubilden und ihnen einen Platz in der Gesellschaft zu geben? Wird man in den Schulen stärker Rassismus vorbeugen? Eines ist klar: Die Mehrheit der Franzosen ist nicht antisemitisch und auch nicht islamfeindlich. Diese Mehrheit muss sich endlich positionieren. Sonst könnten Le Pen, Zemmour & Co. eines Tages triumphieren. Die Gefahr ist groß.

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