"Die Vögelscherr vom Helena": Trovesi und Coscia bei jazz-transfer

Saarbrücken. Eben stand Gianluigi Trovesi noch draußen an der Bar, jetzt nimmt er - sein alter Freund Gianni Coscia schnallt sich schon sein Akkordeon um - auf dem kleinen Bühnenpodest Platz und kündigt mit fliegendem Haar eine Reise durch den Mittelmeerraum an. Alles sehr familiär hier im Leidinger

Saarbrücken. Eben stand Gianluigi Trovesi noch draußen an der Bar, jetzt nimmt er - sein alter Freund Gianni Coscia schnallt sich schon sein Akkordeon um - auf dem kleinen Bühnenpodest Platz und kündigt mit fliegendem Haar eine Reise durch den Mittelmeerraum an. Alles sehr familiär hier im Leidinger. Und weil Trovesi Italiener ist - also zwischendurch gern plaudert und ein paar Faxen macht, aber nicht auf Englisch - hat man einen Übersetzer gesucht und gefunden. Was im Falle von Carmelo Vitello vom Völklinger Ausländerbeirat das montägliche Konzert im Jazzclub des Domicils Leidinger (im Rahmen des Saarbrücker Festivals jazz-transfer) situationskomisch enorm auflud. "Ich übersetze nur, was der saht", erklärte Vitello, ein unfreiwilliger Meister minimalistischer Übersetzung, in einem italienisch eingefärbten, saarländischen Idiom. Wenn man so will, war Vitello in seiner volksnahen Vereinfachungsgabe die Entdeckung des Abends (eine Offenbach-Anleihe Trovesis aus der Schönen Helena brachte er etwa mit den Worten "Das sinn die Vögelscherr vom Helena" näher); denn die musikalische Größe Trovesis und Coscias, die den Jazz mit der Volksmusik paaren und dabei neue Improvisationskinder zeugen, steht außer Zweifel, wie der Abend neuerlich zeigte. Trovesi an der (Bass-)Klarinette und Coscia am Akkordeon sind Spielernaturen, die Jazzstandards (etwa John Lewis' "Django") auf Volkswaisen und die wiederum auf Kurt-Weill-Nummern (aus "Mahagonny"), Klezmer-Anleihen oder eine Mazurka folgen lassen.Coscia treibt und begleitet am Akkordeon, führt die Melodien auf frohsinnige Höhen und in die Talsohlen, in denen sich Schwermut leise wiegt. Trovesi enteilt mal übermütig auf der Klarinette, um ihren Tönen im nächsten Moment dann sentimentale Wahrheit einzuhauchen. Die dialogische Struktur dieser so ungleichen Instrumente ist das große Kapital ihrer genre-unbekümmerten Musik. Am Ende holten beide ihren Improvisationsbotschafter Vitello auf die Bühne. Drei Italiener, ein Applaus. cis

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