"Die Unsicherheit ist das Schlimmste"

Saarbrücken. Heute erst wird sich das Schicksal des Schlecker-Marktes in Überherrn - und damit auch die Zukunft von Filialleiterin Silke Schneider entscheiden. Eigentlich galt der Schlecker-XL-Markt als gerettet - der Münchner Investor Dubag hatte angekündigt, die Schlecker-Töchter Ihr Platz und Schlecker XL zu übernehmen - dann wieder gab es offene Fragen, das Geschäft stand auf der Kippe

Saarbrücken. Heute erst wird sich das Schicksal des Schlecker-Marktes in Überherrn - und damit auch die Zukunft von Filialleiterin Silke Schneider entscheiden. Eigentlich galt der Schlecker-XL-Markt als gerettet - der Münchner Investor Dubag hatte angekündigt, die Schlecker-Töchter Ihr Platz und Schlecker XL zu übernehmen - dann wieder gab es offene Fragen, das Geschäft stand auf der Kippe. Heute sollen letzte Details geklärt werden. Ihre Kollegin Astrid Schmidt kann es kaum glauben, dass die sicher geglaubte Rettung plötzlich wieder in Frage steht. "Wir haben keine Nerven mehr", sagt sie. "Diese Unsicherheit ist das Schlimmste", sagt auch Schneider. "Lieber hätte ich jetzt die Kündigung auf dem Tisch, dann wüsste ich wenigstens, woran ich bin."Diese wenig beneidenswerte Sicherheit hat Hella Rittmeier-Rothfuchs. Seit einer Woche weiß sie, dass ihr Schlecker-Markt in Wadgassen definitiv geschlossen wird. Ihrem unerschütterlichen Humor kann das nichts anhaben: Es helfe ja nicht, den Kopf hängen zu lassen sagt sie. "Ich versuche auch in dieser Situation Optimismus auszustrahlen." Den kann sie brauchen, denn heute beginnt der Ausverkauf: 30 Prozent auf alles. Sie weiß, dass die ersten Tage dem Wahnsinn gleichkommen, wenn jeder Artikel einzeln rabattiert werden muss - mit entsprechender Wartezeit an den Kassen. Wenigstens waren die vergangenen Tage ruhiger, weil die Kunden auf Rabattaktionen gewartet haben. Ärgerlich war sie nur, wenn fremde Kunden schon vorab nach Rabatten gefragt haben. "Das ist wie Leichenfleddern", sagt sie.

Mit Wehmut schaut sie in den Markt, den sie immer als "ihren Markt" betrachtet hat und in dem sie viele unbezahlte Überstunden gemacht hat, um ihn immer in Ordnung zu halten. Dank gab es dafür in den 32 Jahren, die die 56-Jährige für Schlecker gearbeitet hat nicht. Erst zuletzt seien Rundschreiben gekommen, in denen den Mitarbeitern gedankt wurde. "So etwas gab es vorher nie."

Auch Silke Schneider kann, auch wenn sie gerne bei Schlecker arbeitet, die jetzt aufkommende Sentimentalität nicht nachvollziehen. "Vieles war nicht in Ordnung", sagt sie. Besonders die Personalführung durch die regionale Betriebsleitung. "Druck war schon ein vorherrschendes Mittel." Und wenn sich die Mitarbeiterinnen jetzt aufregen, weil Insolvenzverwalter Arndt Geiwitz ausdrücklich an die vertraglichen Pflichten erinnert, kann sie das nicht nachvollziehen: "Schlecker hat ganz andere Briefe geschrieben", sagt sie.

Schneider arbeitet erst seit wenigen Monaten in Überherrn. Als Betriebsrat durfte sie in der ersten Entlassungswelle nicht gekündigt werden und wurde versetzt. Viel Ärger habe sie dafür von Schlecker-Mitarbeiterinnen zu spüren bekommen, die viel länger im Unternehmen waren als die 39-Jährige. "Es wird immer so getan, als ob sich die Betriebsräte ihre Jobs gerettet haben. Aber das hat nichts mit Vetternwirtschaft zu tun, das ist einfach Gesetz", sagt sie. Auch Hella Rittmeier-Rothfuchs hat die Mitarbeit im Betriebsratsarbeit letztlich für einige Monate die Stelle gerettet: "Ob das gerecht ist oder nicht, ist eine schwierige Frage", sagt sie. "Aber es ist einfach so."

Von der Familie Schlecker hätte sich beide mehr Einsatz für das Unternehmen gewünscht - wenn auch nur durch öffentliches Auftreten oder eine Entschuldigung. "Dass Schlecker nur seine Tochter vorgeschickt hat war nicht in Ordnung", sagt Schneider. Der hätte sich schon selber vorwagen müssen.

Die Zukunft ist für beide unsicher. Für Schneider, weil sie nicht weiß, wie es bei XL weitergeht und ob sie überhaupt übernommen wird, für Rittmeier-Rothfuchs, weil sie 32 Jahre immer nur Schlecker gemacht hat: "Schlecker kann ich, aber was Anderes?" Noch hat sie sich nicht um eine neue Stelle gekümmert. "Ich warte bis zum Allerletzten." Schneider hört sich zumindest im Bekanntenkreis mal um.

Dass jetzt auf Philip Rösler rumgehackt wird, der sich einer Transfergesellschaft verweigert hat, kann Rittmeier-Rothfuchs nicht verstehen. "Der Staat kann doch nicht jedem Unternehmen helfen", sagt sie. Dabei könnte auch sie die Hilfe gebrauchen. Denn in ihrer Familie hat das Schicksal vergangenen Freitag doppelt zugeschlagen - auch ihr Mann hat durch eine Insolvenz den Job verloren. Sie aber bleibt optimistisch: "Es wird irgendwie weitergehen."

Hintergrund

Anton Schlecker soll wenige Tage vor der Insolvenz eine wertvolle Immobilie an seine Kinder übertragen haben. Am 17. Januar habe Schlecker ein Logistikzentrum in Österreich für 2,5 Millionen Euro an Lars und Meike Schlecker verkauft. Insolvenzverwalter Arnd Geiwitz kündigte an, die Vorgänge zu prüfen.

Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ermutigt die Schlecker-Verkäuferinnen zu einer Umschulung zur Erzieherin oder Altenpflegerin. Es sei ein gemeinsames Anliegen, die Beschäftigten in Mangelberufe umzuschulen, sagte sie nach Gesprächen mit der Bundesagentur für Arbeit und der Gewerkschaft Verdi.

Saar-Wirtschaftsminister Heiko Maas will in Abstimmung mit Rheinland-Pfalz und der Bundesagentur für Arbeit Angebote erstellen, über die Schlecker-Mitarbeiterinnen schneller in einen neuen Job kommen. Geplant sind beispielsweise Einzel-Coachings für jede Mitarbeiterin. Erhöhter Handlungsbedarf ergebe sich, weil viele Betroffene mit gleichem Profil auf den Markt drängen. dapd/afp/jwo

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